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Sturmflut mit Schokoladenengel

Sturmflut mit Schokoladenengel

Titel: Sturmflut mit Schokoladenengel
Autoren: Dora Tauer
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Unterhemd, und ich konnte sehen, wie sich seine Brustmuskeln und seine kräftigen Schulterblätter unter dem Stoff wölbten.
    „Ich dreh' mal eben den Haupthahn ab.“ H-Punkt Bär beugte sich zum Spülenschrank hinunter. Seine Schulter berührte mein Knie, und für einen Augenblick schlug mir sein Körpergeruch entgegen. Er roch wie der Rheinwald im Spätsommer – nach Erde und feuchter Baumrinde.
    „Nanu – gibt's hier keinen Haupthahn?“ Mein Abenteurer, Reisejournalist, Fotograf oder was auch immer, blickte fragend zu mir hoch. Seine Augen waren von einem atemberaubend tiefen Blau und funkelten so vergnügt, als gäbe es nichts Schöneres als vor einem unaufgeräumten Spülenschrank im Wasser zu knien.
    Ich musste erst einmal Luft holen, bevor ich antworten konnte. „Hab' ihn auch schon vergeblich gesucht.“ Unter meinem Zwerchfell schlug wieder der große Vogel mit den Flügeln.
    „Kein Haupthahn?“ Er tastete verwundert im Chaos von Flaschen, Dosen und alten Töpfen unter meiner Spüle herum. Es war mir kein bisschen peinlich. „Dann eben nicht.“ Er grinste zu mir herauf, und ich lächelte zurück.
    „Kriegen wir schon hin.“ Er stand auf – wieder dieser Geruch nach Mann! – und schraubte den Hahn ab. Das Wasser schoss heraus. Er drückte den Daumen auf die Leitung und kramte in der Werkzeugkiste neben sich auf dem Stuhl herum. Schließlich hielt er einen gebrauchten Hahn in der Hand.
    „Sind Sie Klempner?“ Verstohlen betrachtete ich das Spiel seiner Oberarm-Muskulatur. Diese starken Arme, diese kräftigen Hände – sie waren gewohnt zuzupacken, ganz bestimmt waren sie das. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt.
    „Nein, Polizist.“ Seine fröhlichen Augen trafen meinen Blick, und eine Spur von Verlegenheit huschte über seine Züge. Er drehte den Hahn zwischen den Fingern. „Mit dem alten Ding kommen Sie erst einmal über die Runden“, sagte er. Wahrscheinlich nur, um überhaupt etwas zu sagen.
    Fasziniert verfolgte ich den Verlauf seines Bizeps bis zu seinem Unterarm. Der war mit hellem Flaum bedeckt, und die hervortretenden Adern verzweigten sich zu einem Geäst kraftvoller Linien.
    „Ich find’ das voll nett von Ihnen“, sagte ich mehr oder weniger geistesabwesend. Auf seinen sehnigen Händen verästelten sich die Adern zu einem noch feineren Geflecht und strebten auf die Knöchel seiner Finger zu.
    „Und? Wann geht’s nach Moskau?“ Seine Finger tanzten flink um das Gewinde des Wasserhahns. Schmal waren sie und gepflegt.
    „Nächstes Frühjahr.“ Mein Mund fühlte sich merkwürdig trocken an. „Ich lern schon fleißig Russisch.“ Fast mechanisch antwortete ich. Der Anblick seiner Hände füllte meinen Kopf aus. Unglaublich schön fand ich sie, und ich stellte mir vor, wie diese Hände meinen Nacken streichelten, meine Schultern, meine Brüste, meine Schenkel ...
    „So“, sagte er, „Sie können den Schlauch jetzt loslassen, Uta.“
    Nicht meine erotischen Fantasien erschreckten mich – die hatte ich öfter – aber so plötzlich davon überfallen zu werden, noch dazu in der Gegenwart eines sehr konkreten Mannes, das machte mich in diesem Augenblick völlig hilflos. Eine heiße Woge strömte durch meine Brust und senkte sich tief in meinen Bauch hinab.
    O Gott, bloß nicht rot werden.
    Natürlich wurde ich rot. Ich spürte doch, wie mir die Hitze ins Gesicht stieg. Zum Glück fesselte der alte Wasserhahn die Aufmerksamkeit meines Kommissars. Ich ließ den Schlauch los, wischte mir die Hände an den Jeans ab und sah H-Punkt Bär dabei zu, wie er noch einmal die Rohrzange ansetzte, um dem alten Hahn die letzte Gewindedrehung zu verpassen.
    Meine überflutete Küche, meine nassen Schuhe, meine Russischlektion – alles erschien mit einem Mal so vollkommen nebensächlich. Nur noch dieser herbe Duft nach Erde und Baumrinde zählte, nur noch das Geflecht von Adern auf kraftvollen Händen, nur noch das heitere Funkeln dunkler Blauaugen. Erregung machte mich sprachlos, das Klopfen und die warme Feuchtigkeit in meinem Schoss verwirrten mich.
    Umständlich packte mein Retter sein Werkzeug zusammen. „Jetzt haben Sie erst mal zu tun, bis Ihre Wohnung wieder trocken ist, Uta.“ Er hob seinen rechten Fuß. Sein Laufschuh troff von Wasser, und sein stoppelbärtiges Gesicht verzog sich zu einem verlegenen Grinsen. Wir schauten uns einige Sekunden lang schweigend an. Mein Atem ging schneller, und ich sah seinen Adamsapfel auf und abtanzen.
    Wenn du jetzt gehst, sterbe ich ...
    „Ich
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