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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern
Autoren: Scott Lynch
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auf eine verschlungene schwarze Tätowierung auf der blassen Haut von Merrains Unterarm -es sah aus wie Weinlaub, das sich um ein Schwert rankt. Dann schoss sie davon wie ein Armbrustbolzen, flitzte in die Nacht hinein, weg von Jean und den falschen Allsehenden Augen, die ihr vergeblich ein paar Dutzend Schritte weit nachsetzten, ehe sie laut fluchend die Jagd einstellten.
    »Verdammt, was – oh, zur Hölle«, ächzte Locke, der erst jetzt merkte, dass der Bewacher, den Merrain mit dem Messer attackiert hatte, und auch Xandrin sich am Boden krümmten und Rinnsale aus Schaum und Speichel aus ihren Mundwinkeln tropften. »Oh Scheiße, Scheiße, zur Hölle!«, schrie Locke und beugte sich hastig und in ohnmächtigem Zorn über den sterbenden Alchemisten. Nach wenigen Sekunden hörten die Zuckungen auf, und Locke starrte auf das einzelne Fläschchen mit dem Gegengift in seiner Hand, wobei ihm ganz elend zumute wurde.
    »Nein«, stöhnte Jean hinter ihm. »Oh Götter, warum hat sie das getan?«
    »Ich weiß es nicht«, flüsterte Locke.
    »Und was zur Hölle machen wir jetzt?«
    »Wir … Scheiße! Das weiß ich auch nicht, verdammt noch mal!«
    »Du solltest …«
    »Keiner macht jetzt irgendetwas«, blaffte Locke. »Ich nehme das Fläschchen in Verwahrung. Sobald der ganze Mist hier vorbei ist, setzen wir uns in aller Ruhe hin, essen was, diskutieren. Irgendwas fällt uns schon ein.«
    »Du kannst …«
    »Wir müssen hier weg«, entschied Locke so resolut wie möglich. »Wir nehmen das mit, weswegen wir gekommen sind, und hauen ab, ehe die Dinge sich noch mehr zuspitzen.« Bevor Truppen, die dem Archonten treu ergeben sind, bemerken, dass er eine schlechte Nacht hat. Bevor Lyonis herausfindet, dass Requin in diesem Augenblick hinter uns her ist. Bevor irgendeine verdammte Überraschung aus dem Boden kriecht und uns in den Arsch beißt.
    »Cordo«, brüllte er, »wo ist der Sack, den Sie uns versprochen haben?«
    Lyonis gab einem seiner Verbündeten ein Zeichen, und die Frau reichte Locke einen schweren Rupfensack. Locke schüttelte ihn aus, er war breiter als er selbst und annähernd sechs Fuß lang.
    »Nun, Maxilan«, sagte er, »ich habe Ihnen die Chance gegeben, all das zu vergessen und uns gehen zu lassen. Aber Sie mussten sich ja aufführen wie ein dämliches Arschloch, nicht wahr?«
    »Kosta«, krächzte Stragos, der endlich seine Stimme wiederfand. »Ich … ich gebe Ihnen …«
    »Sie können mir gar nichts geben.« Stragos schien mit dem Gedanken zu spielen, sich Merrains Dolch zu schnappen, deshalb versetzte Locke der Klinge einen heftigen Tritt.
    Sie schlitterte über den Kies in die Dunkelheit der Gärten. »Diejenigen unserer Zunft, die es mit dem Korrupten Wärter halten, haben eine kleine Tradition, wenn einer von uns stirbt. Und in diesem Fall kam durch Ihren beschissenen Plan jemand zu Tode.«
    »Kosta, verschmähen Sie nicht, was ich Ihnen anzubieten habe …«
    »Wir nennen es eine Todesgabe«, fuhr Locke fort. »Das heißt, dass wir etwas Kostbares stehlen, wobei der Wert im Verhältnis zu dem Leben stehen muss, das wir verloren haben. Nur dass hier nichts teuer genug ist, um diesen Menschen aufzuwiegen.
    Trotzdem geben wir unser Bestes.«
    Jean trat neben ihn und knackte mit den Fingerknöcheln.
    »Ezri Delmastro«, sagte er leise, »ich gebe dir den Archonten von Tal Verrar.«
    Er versetzte Stragos einen so kräftigen Schlag, dass es ihm die Füße wegzog. Im nächsten Moment stopfte er den bewusstlosen alten Mann in den Rupfensack.
    Anschließend band er den Sack zu und warf ihn sich über den Rücken, als enthielte er Kartoffeln.
    »Nun, Lyonis«, meinte Locke, »viel Glück mit Ihrer Revolution, oder was auch immer sich hier anbahnt. Wir machen uns davon, ehe die Situation für uns zu brenzlig wird.«
    »Und Stragos …«
    »Den werden Sie nie wiedersehen«, erklärte Locke. »Das genügt mir. Verlassen Sie die Stadt?« »So schnell wie möglich!«

13
     
     
    Jean ließ ihn vor Zamira und der gesamten überlebenden Mannschaft auf das Achterdeck plumpsen. Der Rückweg war lang und beschwerlich gewesen – zuerst mussten sie ihre Rucksäcke aus Cordos kleinem Kahn holen, danach pflichtbewusst zum Boot von Drakashas Schiff zurückhetzen und es schließlich fast bis aufs freie Meer hinauspullen – aber die Mühe hatte sich gelohnt. Die ganze Nacht hatte sich gelohnt, fand Locke, und sei es auch nur, um den Ausdruck auf Stragos’ Gesicht zu sehen, als er Zamira erkannte, die über ihm
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