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Sturm ueber roten Wassern

Sturm ueber roten Wassern

Titel: Sturm ueber roten Wassern
Autoren: Scott Lynch
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mehr, bei dem Sie sich verkriechen können, denn den Rest Ihres kurzen, erbärmlichen Lebens werden Sie damit verbringen, sich vor den beiden Männern zu verantworten, die Sie vergiftet haben. Besitzen Sie ein Mittel, das dieses Gift für immer neutralisiert?«
    »Ich … ich trage Gegenmittel für jedes Gift bei mir, das ich im Dienste des Archonten benutze, jawohl. Für alle Fälle.«
    »Xandrin, nein …«, hob Stragos an. Jean schlug ihm in den Magen. »Oh doch, Xandrin, oh doch«, drohte Locke. Der Glatzkopf griff in seine Tasche und holte eine Glasphiole mit einer durchsichtigen Flüssigkeit heraus. »Eine einzige Dosis habe ich dabei. Das Fläschchen reicht für einen Mann – Sie dürfen den Inhalt nicht aufteilen. Dieses Mittel reinigt die Säfte und Kanäle des Körpers von dem ursprünglichen Gift.«
    Mit zitternder Hand nahm Locke ihm das Fläschchen ab. »Und … was würde es kosten, wenn wir bei einem anderen Alchemisten noch eine Dosis bestellen?« »Das ginge gar nicht«, erwiderte Xandrin. »Ich habe das Gegenmittel so zusammengesetzt, dass es sich jeder Analyse entzieht. Jede Probe, die man auf alchemischem Wege in ihre Ingredienzen aufzuspalten versucht, zerstört sich selbst. Die Formeln für das Gift und das Heilmittel sind mein geistiges Eigentum …« »Sie müssen sich doch Notizen gemacht haben«, fuhr Locke ihn an. »Rezepturen aufgeschrieben haben oder was auch immer …«
    »Es ist alles in meinem Kopf«, erläuterte Xandrin. »Papier kann man keine Geheimnisse anvertrauen.«
    »Nun denn«, seufzte Locke, »dann bleibt uns also nichts anderes übrig, als Sie mitzunehmen, bis Sie für uns eine zweite Dosis zusammengebraut haben. Lieben Sie das Meer?«

11
     
     
    In diesem Moment traf Merrain ihre Entscheidung. Wenn das Gegenmittel nicht reproduziert werden konnte und sie die Phiole auf dem Boden zerschmetterte … dann waren diese lästigen Anomalien Kosta und de Ferra so gut wie tot. Dann blieben nur noch Stragos und Xandrin übrig.
    Und wenn auch sie beiseitegeräumt waren, gäbe es niemanden mehr, der wusste, dass sie einem Herrn außerhalb von Tal Verrar diente.
    Sie bewegte vorsichtig den rechten Arm, ließ den Griff ihres vergifteten Dolches in ihre Hand gleiten und holte tief Luft.
    Merrain handelte so schnell, dass das falsche Allsehende Auge, das neben ihr stand, keine Zeit mehr fand, sein Schwert zu heben. Ihr Stich, dem kein verräterischer Blick oder Sprung voranging, traf ihn seitlich in den Hals. Sie zog die Klinge noch ein Stück weiter durch das Fleisch, nur für den Fall, dass das Gift ein paar Sekunden länger brauchte, um zu wirken.

12
     
     
    Merrains erstes Opfer gab noch ein überraschtes Keuchen von sich, als sie bereits wieder zuschlug und Xandrins Nacken mit einem Messer attackierte, das sie wie aus dem Nichts herbeigezaubert hatte. Für den Bruchteil einer Sekunde war Locke völlig überrumpelt; er hielt sich für reaktionsschnell, aber wenn sie es auf ihn abgesehen hätte, wäre es ihm nicht gelungen, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen.
    Als Xandrin aufschrie und nach vorn stolperte, trat Merrain in einem eher schnellen als gründlichen Angriff mit dem Fuß nach Locke. Sie packte seinen Arm, und die Phiole rutschte aus seinen Fingern; Locke hatte kaum Zeit, »Scheiße!« zu brüllen, ehe er nach dem Fläschchen hechtete, ohne sich darum zu kümmern, ob er sich auf dem Kies die Haut in Fetzen riss oder von Merrain endgültig niedergemacht würde. Er hob die heil gebliebene Phiole vom Boden auf, flüsterte ein Dankgebet und wurde grob zur Seite gestoßen, als Jean mit ausgestreckten Armen an ihm vorbeistürmte.
    Als er, das Fläschchen gegen die Brust gedrückt, auf dem Boden landete, sah er, wie Merrain sich hoch aufrichtete und ihr Messer warf; im selben Moment schlug Jean nach ihr, sodass die Klinge, anstatt Stragos’ Hals oder Brust zu durchbohren, vor seinen Füßen im Kies landete. Trotzdem zuckte der Archont vor der Waffe zurück.
    Es war kaum zu glauben, aber Merrain setzte sich höchst eindrucksvoll gegen Jean zur Wehr; irgendwie schaffte sie es, einen Arm aus seinem Griff zu befreien und ihm ihren Ellbogen in die Rippen zu rammen. Geschmeidig und gewiss auch mit dem Mut der Verzweiflung trat sie auf seinen linken Fuß, riss sich los und versuchte davonzustolpern. Jean bekam sie an der Tunika zu fassen und riss den kompletten Ärmel an der Schulter ab; als der Stoff nachgab, verlor er das Gleichgewicht und fiel hin.
    Locke erhaschte einen Blick
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