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Sturm über Freistatt

Titel: Sturm über Freistatt
Autoren: Robert Asprin
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Götter haben angefangen, an Zeit zu glauben, Lady. Die Verehrung ihrer sterblichen Anhänger hat sie daran gebunden. Opfer des Mittags, Weihrauch am Abend, Zehntod einmal im Jahr, alle Feste, die ihnen zu Ehren in regelmäßigen Abständen stattfinden, alles Planmäßige – ja, all das hat sie gebunden. Götter mögen die Ewigkeit erschaffen haben, Sterbliche aber machten Kalender und Uhren und banden kleine Stücke der Ewigkeit an sich. Sterbliche haben die Götter gebunden – rankanische und ilsiger gleichermaßen. Aber Sterbliche können sie auch befreien.« Er holte tief Atem. »Wenn sie ihre Zeitlosigkeit verloren haben, kann dieser Zauber sie ihnen zurückbringen. Zumindest einer Gottheit, die danach das Tor für die andern zu öffnen vermag. Und wenn die ilsiger Götter erst frei von unserer Welt sind …«
    »Werden sie die rankanischen Götter vertreiben und die beysibische Göttin ebenfalls und ihren richtigen Platz wieder einnehmen?« Ischade lächelte mit kühlem Spott – doch hinter ihm steckte Interesse. »Eine gewaltige Aufgabe für einen Sterblichen! Selbst für einen, der so mächtiges Zauberwerkzeug führt wie das Brenneisen und die Knochensäge. Doch eine Frage, Harran: Warum? «
    Harran hielt inne. Eine vage Vorstellung von Ils, der Savankala zertrampelt, von Shipri, die Sabellias Herz herausreißt, und seine eigene Befriedigung darüber, waren alles, was er hatte. Das heißt, außer dem Bild der jungfräulichen Siveni, kriegerisch, ungestüm und über Rivalen triumphierend, die sich nach dem Sieg in ihrem wiederhergestellten Tempel den friedlichen Wissenschaften widmete …
    Ischade lächelte und zog die Kapuze übers Haar. »Schon gut«, sagte sie. Die Belustigung in ihrer Stimme war noch gewachsen – wahrscheinlich, wie Harran vermutete, über den Mann, der nicht wußte, was er wollte, was vermutlich sein Tod sein würde. Nichts verwirrt große Alchimie und Zauber so sehr wie unklare Beweggründe. »Schon gut«, sagte Ischade erneut. »Sollte Euch Euer Vorhaben gelingen, wird es hier zu vergnüglichen Zeiten kommen. Es würde mir Spaß machen, den Vorgang zu beobachten. Und wenn es Euch nicht gelingt …« Sie zuckte ganz leicht die schmalen Schultern. »Nun, dann weiß ich zumindest, wo gute Alraune zu finden ist. Gute Nacht, Meister Barbier. Und viel Glück – wenn es so etwas gibt.«
    Dann war sie verschwunden. Der Wind erhob sich wieder und verzog sich wimmernd …
     
    Über die größeren Zauber hatte einer der älteren Priester einst warnend zu Harran gesagt: »Es entgeht nichts ihrer Aufmerksamkeit!« Die Aufmerksamkeit, die ihm dunkle Augen auf dem Grabacker gewidmet hatten, beunruhigte Harran sehr. Er kehrte in jener Nacht zitternd zurück, nicht nur vor Kälte. Er jagte Tyr aus seinem Bett und zog Mriga hinein – und benutzte sie mit etwas mehr als seiner üblichen groben Geschicklichkeit. Diesmal war es nicht bloß ein Kratzen auf juckender Haut. Hoffnungslos suchte er nach mehr – nach einem Funken von Gefühl, nach wenigstens einer schwachen Erwiderung des Drucks seiner Arme um sie. Doch selbst die unfähigste Abwinder Hure hätte ihren Zweck hundertmal besser erfüllt, als dieses geistlose, fügsame Fleisch, das ruhig unter ihm lag oder ruckartig und unbewußt die Gliedmaßen um ihn schlang. Danach jagte Harran auch sie aus dem Bett. Mriga kroch zur Feuerstelle und kuschelte sich in die Asche, während er sich ruhelos im Bett wälzte. In der Asche oder in schwelender Glut hätte er auch nicht weniger Schlaf finden können.
    Ischade … Aus ihrem Interesse konnte nichts Gutes kommen. Wer mochte schon wissen, ob sie nicht zu ihrer Belustigung jemandem – Molin Fackelhalter beispielsweise – die Information verkaufte, daß ein einsamer, wehrloser Mann beabsichtigte, in wenigen Tagen eine der alten ilsiger Göttinnen zurückzuholen? »O Siveni …«, flüsterte Harran. Er würde rasch handeln müssen, ehe etwas ihn daran hinderte!
    Heute nacht!
    Nein, nicht heute nacht, dachte er, denn ein ungutes Gefühl ließ ihn zaudern. In der Selbsterforschung des Priesters fragte er sich nach dem Grund. War es nur der ihm längst vertraute Abscheu, der ihn jedesmal beschlich, wenn er an die alte Ruine in der Tempelallee dachte? Oder war es etwas anderes?
    – Ein Schatten am Rand seines geistigen Blickfelds, das Gefühl, daß irgend etwas schiefgehen würde? Daß jemand ihn die ganze Zeit beobachtete?
    Raik?
    Um so dringender, es noch heute nacht zu tun! Er war sicher, daß er Raik in
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