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Sturm über Freistatt

Titel: Sturm über Freistatt
Autoren: Robert Asprin
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Gestalt ganz in Schwarz, die ein Stück von ihm entfernt stand. Letztere blickte ihn aus der Schwärze ihrer Kapuze lange an, und Harran verstand, was selbst den kalten Nachtwind so erschreckt hatte, daß er sich verkroch.
    Die schwarze Gestalt hob bleiche Arme aus den weich fallenden Falten ihres Umhangs und schlug die Kapuze zurück. Sie blickte ihn an – die schwarzen Augen eine Spur schräg in dem schönen ernsten Gesicht, das von rabenschwarzem Haar umschmeichelt wurde –, dann zog sie die Kapuze wieder über den Kopf. Er starb nicht von dem Blick – also stimmten wohl nicht alle Gerüchte über sie –, aber Harran war nicht sicher, ob das an sich ein gutes Zeichen war. Er kannte Ischades Ruf, hatte sie jedoch noch nie zuvor selbst gesehen. Seine Freunde im Leichenhaus hatten oft genug mit ihren Opfern zu tun gehabt.
    Neuer kalter Schweiß rann ihm über den Rücken. Sein ganzes Leben lang hatte er nie etwas so Bedrohliches gesehen. Tempus in seiner Wut oder Vashanka, der die Stadt mit Blitzen bestrafte, war nicht so gefährlich wie sie.
    Anmutig legte sie den Kopf schief und sagte: »Habt keine Angst.« Und das mit ruhiger Stimme, aus der leiser Spott schwang. »Ihr seid wahrhaftig nicht mein Typ. Doch tapfer seid Ihr, daß Ihr zu dieser Stunde hier grabt, mit eigenen Händen, statt Euch die Wurzel von einem Hund herauszerren zu lassen. Mutig – oder verzweifelt. Oder sehr, sehr töricht.«
    Harran schluckte. »Letzteres, Madam«, sagte er schließlich. »Ganz ohne Zweifel, weil ich Worte mit Euch wechsle. Und was die Wurzel betrifft – auch in dieser Hinsicht. Aber durch einen Hund gegraben, ist sie nicht ein Drittel so wirkungsvoll. Natürlich könnte ich mich an einen Kräuterhändler wenden oder einen Zauberer, auch sie wären imstande, mir eine von Menschenhand ausgegrabene Alraune zu besorgen. Aber wer weiß, wann ich sie dann bekommen würde? Und der Preis – ob nun in Gold oder sonst einer Währung –, für die Gefahr würde auf jeden Fall bezahlt werden müssen.«
    Sie musterte ihn kurz, dann lachte sie sanft. »Ein Mann, der etwas davon versteht!« stellte sie fest. »Aber dieses – Mittel – wird für ganz bestimmte Zwecke angewandt. In dieser Zeit und an diesem Ort nur für dreierlei. Für männliches Unvermögen gibt es billigere – nicht, daß Eure gegenwärtige Bettgefährtin es überhaupt bemerken würde. Und Töten ist mit Gift einfacher. Der dritte Zweck …«
    Sie hielt inne, um zu sehen, was er tun würde. Für einen Augenblick unfähig, vernünftig zu denken, riß Harran die Alraune hoch, und seine Hand verkrampfte sich um sie. Das Schlimmste, was sie ihm antun könnte, wäre ihn zu töten, das wurde ihm plötzlich klar. Oder ihn nicht zu töten. Er ließ die Alraune in seinen Beutel fallen und wischte sich die Hände ab. »Madam«, sagte er. »Ich habe keine Angst, daß Ihr sie mir wegnehmt. Ihr mögt eine Diebin sein, doch so primitiver Mittel braucht Ihr Euch nicht zu bedienen.«
    »Hütet Euch!« flüsterte Ischade, und immer noch schwang sanfter Spott aus ihrer Stimme.
    »Madam, das tue ich«, versicherte er ihr und zitterte ein wenig. »Ich weiß, daß Ihr nicht viel von Priestern haltet und daß Ihr über Eure Vorrechte wacht – ganz Freistatt erinnert sich an jene Nacht …« (1) Er schluckte. »Aber ich habe nicht vor, Tote zu wecken. Nicht tote Menschen .«
    Die Belustigung in ihren Mandelaugen verschwand von Moment zu Moment mehr. »Ein Sophist! Wen habt Ihr dann vor wiederzubeleben, Meister Sophist?«
    »Madam«, entgegnete er rasch, denn die Luft wurde wieder totenstill. »Die Götter von Freistatt wurden getäuscht! Hereingelegt wie ein blinder Bettler im Basar. Und zwar sind ihre dummen sterblichen Anhänger daran schuld! Sie haben sie dazu gebracht, zu glauben, daß das, was Menschen tun, Einfluß auf die Macht der Götter hat! Unter Schwellen vergrabene Leichen; Halsketten in Glocken gegossen oder dem Metall für Schwerter zugefügt; eine geopferte Kuh oder stinkende Gedärme … Das ist alles Unsinn! Doch die ilsiger Götter sitzen deshalb schmachtend in ihrer Anderwelt und halten sich für machtlos, während die rankanischen Götter umherstolzieren, mit Blitzen um sich werfen und alles mögliche zerstören und heimlich bedauernswerten, sterblichen Maiden Kinder machen – und sich einbilden, daß ihnen die Welt gehört. Aber da täuschen sie sich!«
    Wieder blinzelte Ischade, einmal nur, aber unübersehbar.
    Harran schluckte und fuhr fort. »Die ilsiger
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