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Sturm der Barbaren

Titel: Sturm der Barbaren
Autoren: L. E. Modesitt
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Ost.

 
LVI
     
    D rei Nächte nach der ersten Begegnung mit Shevelt sitzt Lorn wieder am selben Seitentisch im Silberkelch. Er nimmt einen kleinen Schluck aus dem Kelchglas, das halb gefüllt ist mit säuerlichem Rotwein, und beobachtet gleichzeitig den stämmigen Shevelt. Ihm bleibt nur noch wenig Zeit in Cyad, und er kann nur hoffen, dass der unbekannte Magier ihn diese Nacht nicht beobachten will.
    Rechts neben ihm sitzen zwei grauhaarige Buchhalter am Tisch und reden mal leiser und mal lauter, manchmal kann Lorn ihr Gespräch trotz des Lärms aus dem Hauptraum verfolgen.
    »… kein Winterregen in Hydlen … wenig Schnee …«
    »Aber … Osthörner und Westhörner …«
    »… weiß, dass die Lanzenkämpfer Ekyon einen Auftrag über hundert Säbel erteilt haben …«
    »… wird ihm gefallen …«
    Der Hüne im Vorraum bleibt scheinbar unbeeindruckt vom Lärm in der mittleren Schenke, nur seine Finger scheinen den Schlagstock aus Goldeiche von Zeit zu Zeit fester zu umklammern.
    Lorn trinkt noch einen winzigen Schluck vom Wein und schüttelt den Kopf, als die Schankmaid erneut auf ihn zukommt. Zusammen mit ihr strömt der Gestank nach verbranntem Fett aus dem hinteren Raum. Als die junge Frau die Stirn runzelt, holt Lorn einen Kupferling hervor und legt ihn lächelnd auf den Tisch.
    Sie nickt freundlich und geht zu den zwei Buchhaltern.
    »Noch einen? Warum nicht?«, fragt der Ältere der beiden.
    Lorn lächelt abwesend, als die Schankmaid die Buchhalterecke verlässt, ohne sich noch einmal umzudrehen.
    »… und er musste Wosyl das Kleid bezahlen? Das geschieht ihm recht!«
    Shevelts Lachen klingt laut, rau und störend in Lorns Ohren, aber er trinkt gelassen noch einmal von dem sauren Rotwein – nur einen winzigen Schluck.
    »Du kommst doch ohnehin nicht oft hierher, Shevelt! Dann geh doch nicht schon so früh …«
    »Soll ich herkommen, um mich beleidigen zu lassen?« Das dröhnende Lachen des großen Händlers schallt erneut durch das Gebäude und trampelt die Unterhaltung der zwei Buchhalter nieder.
    »… lass dir nichts gefallen …«
    »Kann nicht zu lange bleiben … habe noch was vor …«, verkündet Shevelt.
    »Wer ist sie? Wieder eine Rothaarige?«
    »Nein … Shevelt betritt Neuland. Sie ist blond … überall.« Ein tiefes Lachen erfüllt den Raum.
    Das Gelächter verstummt, als Shevelt mit einem Ruck aufsteht und zum Nachbartisch schwankt. »Wenn ich mir nicht zufällig gerade überlegt hätte zu gehen … dann hättest du jetzt gehen müssen. Nämlich den Weg ins Jenseits … Wäre eine lange Reise.«
    Lorn legt zwei Kupferstücke auf den Tisch, nickt dem Schankmädchen zu, das gerade mit zwei Humpen zurückkommt, und deutet auf die drei Kupferlinge auf dem Holz.
    Die Geste bringt ihm ein scheues Lächeln ein.
    »… war doch nur ein Scherz, Shevelt …«
    »Jetzt auf zu deinem Rotschopf, Shevelt … wer es auch sein mag.«
    »Wenn ich ausgetrunken habe …«
    Ohne sich umzusehen, verlässt Lorn den Silberkelch, er geht zügig, als hätte er noch etwas vor. Er behält das Tempo bis zum Zweiten Hafenweg West bei, wo er sich im Schatten der späten Abenddämmerung versteckt. Im Verborgenen läuft er etwa fünfzig Ellen zurück in den dunkleren Schatten eines dichten, struppigen Nadelbaums. Er zieht das linke Hosenbein hoch und holt den Säbel heraus, der im Stiefel steckt – es ist noch immer der Lanzenkämpfersäbel, was bedeutet, dass er einige Hiebe mehr brauchen wird. Dann wartet Lorn neben dem struppigen Baum, der etwa doppelt so hoch ist wie er selbst und nur etwa zwanzig Ellen von den Torbögen entfernt steht, die zu den Doppeltüren des Silberkelchs fuhren.
    Der Geruch von verbranntem Fett verschmilzt mit der salzigen Luft und anderen Gerüchen aus dem Hafen. Nur noch ein schmaler roter Streifen hängt über den niedrigen Hügeln im Norden und Westen und die Luft der jungen Nacht ist wärmer als in den letzten Achttagen; die Feuchtigkeit erinnert mehr an den Herbst als an den Winter. Lorn verhält sich still, als ein Mann in Blau langsam von Westen auf den Silberkelch zu marschiert.
    Die rechte Doppeltür öffnet und schließt sich wieder.
    Lorn wartet, aber Shevelt lässt sich noch Zeit.
    Stimmen ertönen hinter ihm und verstummen wieder, ein Pärchen geht weiter zum Hafen.
    Schließlich stößt jemand die Tür auf und eine große, breite Gestalt in Blau – Shevelt – kommt heraus; er streckt sich und geht unmittelbar auf Lorn zu. Lorn wartet, bis der Händler fast neben ihm steht,
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