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Sturm der Barbaren

Titel: Sturm der Barbaren
Autoren: L. E. Modesitt
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Flaggen hinten an den Schiffen nicht täuschen. Ein anderes Schiff mit aufgeblähten Segeln läuft gerade aus südwestlicher Richtung in den Hafen ein.
    Der Wind hat sich gedreht und ist stärker geworden, sodass er den schweren Morgennebel fortwehen kann. Weiße Schaumkronen schmücken das Wasser, das wegen der dunklen Wolken mehr grau als blau wirkt. Weitere Böen, die vermutlich kälteres Wetter mit sich bringen werden, drücken die Wolkenbank Richtung Westen. Lorn fühlt, dass jemand hinter ihm steht, aber er dreht sich nicht um.
    Als er sich schließlich doch umwendet, wartet seine Mutter hinter ihm, die einen schweren grünen Wollumhang um die Schultern trägt.
    »Ich gehe heute nicht zur Heilerstation, nur am zweiten und vierten Tag. Eine kleine Annehmlichkeit, die Alter und Erfahrung mit sich bringen«, sagt sie. »Ich habe gehofft, wir könnten vielleicht noch ein paar Worte wechseln, bevor du wieder abreist.«
    »Möchtest du ins Wohnzimmer gehen?«, fragt Lorn, den Blick auf den Umhang gerichtet. »Dort ist es wärmer.«
    »Nein. Ich mag den Wind. Das heißt, nur wenn ich richtig angezogen bin.« Die feinen weißen Augenbrauen wandern nach oben bis unter das kurz geschnittene Haar, das nichts mehr von der Mahagonifarbe besitzt, die Lorn noch immer vor Augen hat. »Der Umhang wärmt mich.« Sie geht zum südwestlichen Ende des Säulengangs.
    Lorn folgt ihr und rückt zwei Stühle zurecht, sodass sie in einer geschützten Ecke sitzen können, wo die Familie bei warmem Wetter oft zu Abend isst und wo nun der Wind um sie herum raschelt und murmelt.
    Nyryah zieht den Umhang fester um sich und heftet den Blick auf ihren ältesten Sohn.
    Lorn wartet und weiß, dass seine Mutter ohne Umschweife reden wird.
    »Ich habe den jungen Dettaur nie sonderlich gemocht«, beginnt Nyryah schließlich, »auch als du noch klein und mit ihm befreundet warst. Er war größer als du und hat dich manchmal geschlagen, wenn er glaubte, dass niemand ihn sah, aber du hast nie geweint. Seine Mutter war meine beste Freundin, als wir jung waren. Sie war eine Magi’i, aber ihr Vater nur ein Adept der dritten Stufe, der sehr jung starb. Töricht wie sie war, hat sie Pyeal genommen, aber wir alle tun törichte Dinge, wenn wir unter Druck stehen.«
    »Du hast niemals davon erzählt.«
    »Es gab auch keinen Grund dafür, zumindest nicht als du klein warst. Wir waren damals idealistischer, glaube ich.« Sie lächelt, als würde sie sich an etwas Erfreuliches erinnern. »Es ist schwierig, in Cyad jung und idealistisch zu bleiben. Es ist fast nicht möglich, mein Alter zu erreichen und all seine Ideale zu bewahren.« Sie runzelt die Stirn. »Vielleicht sollte man besser sagen, es ist gänzlich unmöglich, nach diesen Idealen zu leben.« Sie runzelt die Stirn.
    »Du und Vater habt es bestimmt versucht«, meint Lorn sanft.
    »Vielleicht …« Sie hält inne und schüttelt den Kopf. Dann zupft sie den Umhang zurecht. »Ich fühle mich alt und töricht, wenn ich von diesen großen Ideen spreche.«
    »Weshalb?«, fragt Lorn freundlich.
    Nyryah schürzt die Lippen.
    Lorn wartet.
    »Deine Vater wäre nicht damit einverstanden. Wir sind überhaupt nur selten derselben Meinung. Und doch …« Sie hält noch einmal inne, bevor sie fortfährt. »Cyad stützt sich auf die Macht der Chaos-Türme. Alle Länder stützen sich auf irgendeine Macht. Die Anzahl der Türme ist gering im Verhältnis zur Größe Cyadors …« Die letzten Worte trägt der Wind fort.
    »Es gibt zehn Feuerschiffe, jedes wird von einem Turm betrieben, und dann sind da noch etwa zehn um den Verwunschenen Wald herum verteilt, und die, die hier in Cyad stehen«, zählt Lorn auf. »Das ist wenig für ein Land, das sich über mehr als eintausendfünfhundert Meilen von Osten nach Westen erstreckt.«
    »Fünf in Cyad«, bestätigt Nyryah. »Am Anfang waren es zumindest fünf. Das ist eine sehr dürftige Grundlage für die Macht. Nur eine Hand voll Männer kontrolliert diese Macht. Dadurch entsteht ein guter Nährboden für Unredlichkeit und Bestechlichkeit, und genau aus diesem Grund entfernen die Magi’i auch alle aus ihren Reihen, die den Dienst am Chaos nicht über sich selbst stellen. Deshalb kennt auch niemand die Hand und alle außer dem Kaiser treffen sie oder ihn nur in der Dunkelheit. Es war schon immer ein Kampf.« Nyryah lächelt gequält. »Dein Vater erinnert mich Tag für Tag aufs Neue an diese Tatsache.«
    »Auch mich erinnert er daran«, meint Lorn. »Und das nicht
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