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Stummer Zorn

Stummer Zorn

Titel: Stummer Zorn
Autoren: Charlaine Harris
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wußte nur, dass die Partisanenseite die furchtbare Angewohnheit hatte zu weichen, sobald sich Mimi für einen Mann interessierte. Mimi war jedes Mal die klassischste Braut und Ehefrau, die man sich vorstellen konnte. Schamesröte, Fügsamkeit, jeden Abend warmes Essen. In einem meiner dümmeren Momente, zwischen Ehemann eins und zwei, hatre ich Mimi - behutsam, wie ich glaubte — darauf hingewiesen. Sie hatte drei Wochen gebraucht, um mir zu verzeihen.
    „Sind meine Möbel hier wirklich gut angekommen?"
    „Nur wenige Kratzer", versicherte sie mir. „Eine zerbrochene Schale, eine verschrammte Schublade. Ordnungsgemäß ins Formular eingetragen. Die hatten aber irgendwie fast das Haus gar nicht gefunden. Der Fahrer hat mir erzählt, jeder, den sie fragten, hätte ihm erzählt, es sei ,nur ein kleines Stück weiter die Straße entlang, halten Sie nach der großen Magnolie Ausschau.' Er hatte nur noch nie vorher eine Magnolie gesehen, kannst du dir das vorstellen? Ich habe die ganzen Möbel schon verteilt, du mußt mir also einfach sagen, wenn es dir nicht gefallt."
    „Ich schätze, das wird es schon." Dieser Kick, wieder „Ich schätze" zu sagen!
    Mimi hatte tatsächlich gesagt „hätten aber irgendwie fast gar nicht". Ich war so glücklich, daß ich es kaum aushielt. Trivial, ich weiß, aber Zeichen dafür, daß ich zu Hause war.
    Ich holte tief Luft. „Wie geht es insgesamt?" fragte ich stolz.
    Jeder in New York hatte sich dazu verpflichtet gefühlt, das zu mit zu sagen. Sie hatten den Ausdruck komplett falsch verstanden und ihn immer im Singular benutzt. Zuerst berichtigte ich die Leute, bis ich feststellte, daß sie das noch lustiger fänden. Nach einigen Lachkrämpfen strich ich es bewußt aus meinem Wortschatz.
    „Uns geht es allen gut", antwortete Mimi lässig. „Paps hatte letzten Monat eine Sommergrippe, ist aber jetzt wieder gesund. Mama ist erst vor kurzem den Töchtern der Amerikanischen Revolution beigetreten, was zu erwarten war, denke ich ... wenigstens ist sie beschäftigt und geht mir nicht auf die Nerven. Cully hat sich gut eingelebt. Er konnte zwar nur eine winzige Garagenwohnung finden, hat es aber strikt abgelehnt, bei unseren Eltern einzuziehen. Was schlau von ihm war."
    Meine selbstgefällige Zufriedenheit verschwand. „Cully?" fragte ich steif. „Wo eingelebt?"
    „In Knolls."
    „Das hast du mir nicht erzählt."
    „Na ja, bei meinen ganzen eigenen Neuigkeiten habe ich's wohl einfach vergessen. Er ist seit ungefähr einem Monat wieder zurück." Ihr Tonfall war allzu gleichgültig.
    Mit einiger Mühe verschloß ich vor weiteren Fragen die Lippen. Ich würde später mehr übet Cully in Erfahrung bringen. Es war lächerlich von mir, darauf so heftig zu reagieren.
    Jetzt wollte ich aus den Fenstern auf die vorbeiziehenden Felder sehen; Baumwolle und Sojabohnen. Ein bißchen Reis — das war neu. Ich sog den Anblick wie ein Schwamm auf; die freilaufenden Hühner in den Vorgärten der Mietshäuser, die irdenen Fußwege, gesäumt von Colaflaschen oder halben Reifen, der Horizont unbeschränkt durch Beton und Ziegel, die spätsommerliche Schlaffheit der Blätter.
    Wir flitzten an einem Wäldchen von Pecannußbäumen vorbei, das an ein schönes Haus grenzte. In seinen Vorgarten hätte mein Mietshaus gepaßt.
    Die Landschaft wurde mir immer vertrauter. Ich fühlte mich mit jeder Meile ein bißchen unbeschwerter. Jeder Satz begann mit „Oh, da ist ...!" Der John-Deere-Laden, das Angelbedarfsgeschäft, das wunderbar benannte Maubob Motel (Maureen und Bob Pitts waren seine Besitzer), Grandma's Sizzlin' Steaks, der Bestattungsunternehmer ...
    Als wir nach Knolls einfuhren, waren alle Zweifel, die ich gehegt hatte, verschwunden. Als wir in die Einfahrt von Celestes altem Zu Hause, unserem neuen Heim, einbogen, hatte ich sie hinter mir gelassen, zusammen mit New York City.
    „Hier wurde diesen Sommer ein Mädchen vergewaltigt", sagte Mimi plötzlich.
    Ich sah zu ihr hinüber. Ich hatte seelenruhig die Katzen gestreichelt. Sie streute Oregano in den Soßentopf, der auf dem Herd vor sich hin köchelte.
    „Hier?" Ich war überrascht. „Ja. Auf dem Campus."
    Nachdem Mimi zum Houghton College gehörte, schien der Ort des Überfalls füt sie ohne Zweifel fast so bedauernswert wie die Tatsache, daß es überhaupt geschehen war.
    „Nachts?" Ich entdeckte einen Riß im Nagel meines Zeigefingers und durchwühlte meine Handtasche auf der Suche nach einer Feile.
    „Natürlich." Diesmal klang Mimi
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