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Stummer Zorn

Stummer Zorn

Titel: Stummer Zorn
Autoren: Charlaine Harris
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Außer Mitleid und Zorn spiegelte sich auf Mimis Gesicht auch eine gewisse Abneigung. „Drecksarbeit, die er einfach auf mich abgeladen hat."
    Ich zog ein Gesicht, um zu verstehen zu geben, daß ich Jeff Simmons Feigheit erkannt hatte. Trotzdem dachte ich, daß er vielleicht recht hatte.
    Ich fragte Mimi, wie es Heidi Edmonds danach ergangen war; ob die Polizei freundlich zu ihr gewesen war und so weiter. Letztlich war ich doch neugierig. Aber Mimi hatte sich, erschrocken durch das Zischen des kochenden Wassers, wieder dem Herd zugewandt, um die Vermicelli in Stücke zu brechen. „Ich habe mich irgendwie gefragt, ob ihre Eltern wohl das College wegen fahrlässigen Verhaltens verklagen würden."
    „Haben sie?"
    Mimi gab eine Handvoll Pasta in den Topf. „Sie haben es nie auch nur erwähnt", gab sie abwesend zurück. „Es stellte sich heraus, daß ihr Vater Pfarrer ist. Ich bin den ganzen Vorfall immer wieder durchgegangen, um herauszufinden, wie Houghton ihn hätte verhindern können. Aber ich schwöre, mir fällt nichts ein, Nick. Der Weg war gut beleuchtet. Die Entfernung, die sie zurücklegen mußte, war nicht so weit, und sie hatte einen Wachmann rufen können, der sie zurück ins Wohnheim begleitet hätte. Das steht in der Broschüre für Erstsemesterinnen. Nicht, daß ich annehme, auch nur eine von ihnen hätte das jemals gemacht, weil das hier immer so eine ruhige Stadt war. Aber es ist möglich, Geleitschutz zu haben, wenn man will."
    Ich legte diese Tatsache geistig ab. Ich würde in ein paar Tagen selbst mein Studium in Houghton beginnen. Vielleicht würde ich in manchen Nächten lang in der Bibliothek arbeiten.
    Ich mußte noch eine letzte Frage stellen. „Sie konnte den Kerl nicht identifizieren?"
    „Sie hat nie sein Gesicht gesehen", antwortete Mimi.
    Die Gänsehaut weitete sich auf meine Brust aus. Celeste hätte gesagt, jemand liefe über mein Grab. Ich nahm Attila, den rötlich getigerten Kater, hoch und drückte ihn wegen seines angenehm warmen Fells an mich.
    Er wand sich ungehalten aus meinen Armen und hechtete auf den Küchenboden, lauthals fordernd, daß Mimi ihn hinausließ.
    Ich sah zu, wie Mimi die Tür hinter dem weichenden Katzenschwanz doppelt verriegelte.
    Diese kleine Handlung zeigte mir, wie seht sich Mimi zu Herzen genommen hatte, was in der spätsommerlichen Dunkelheit auf dem Campus von Houghton vorgefallen war. Ich konnte mich nicht daran erinnern, daß je ein Haus in Knolls abgeschlossen gewesen war, in all den Jahren, in denen ich Mimi besucht hatte.
    Wir redeten die halbe Nacht. Wir hatten einander in den ganzen Jahren der Trennung treu geschrieben und telefoniert; aber selbst so regelmäßige Kommunikation wie unsere konnte nicht an Gespräche von Angesicht zu Angesicht heranreichen,
    Mimi wärmte Richards Treuebruch wieder auf. Ich befand, daß, obwohl sie tief verletzt war, vor allem ihr Stolz gelitten hatte. Mimi war immer die Verlassende gewesen, nicht die Verlassene, selbst wenn sie zunächst mit sich hatte ringen müssen, um aus der Tür zu kommen.
    Selbstredend wärmte ich im Gegenzug die Kränkung darüber, nach einigen Jahren im Rampenlicht ein altes Gesicht zu sein, wieder auf; obwohl ich nie wirklich ein Topmodell gewesen war, konnte ich einige Magazincover für mich verbuchen. Na ja, einige wenige.
    Der zweite Roman, den ich in meiner sich ständig ausdehnenden Freizeit halbwegs verfaßt hatte, erhielt in der Tat einen sehr langen Absagebrief von einem Verleger. Wahrend ich Mimi erklärte, was für ein gutes Zeichen das war und sie daraufhin zunehmend begeistert von der Ablehnung wurde, erkannte ich, wie sehr ich sie gebraucht hatte.
    Der Abend brachte, dank einer leichten Brise, die die Vorhänge nach innen wehte, etwas Abkühlung. Mimi hatte meine Möbel in dem (nach New Yorker Maßstäben) riesigen Wohnzimmer geschmackvoll arrangiert und mir das Schlafzimmer im Erdgeschoß überlassen, um das ich sie gebeten hatte. Es ging von dem Flur zwischen Wohnzimmer und Küche ab.
    Celestes Haus war nicht hochherrschaftlich, aber durchaus ein weitläufiges altes Familienanwesen. Alle Räume waren groß und hatten noch die ursprünglichen hohen Decken. Als Mimi erwähnte, daß sie in ein paar Wochen den Ofen würde anmachen müssen, bedachten wir die voraussichtlichen Heizkosten und tauschten betroffene Blicke.
    Mimi gähnte, zerknüllte eine leere Zigarettenschachtel und warf sie in Richtung Mülleimer, Siamkater Mao fing die Packung blitzschnell mit der Pfote ab und
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