Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stummer Zorn

Stummer Zorn

Titel: Stummer Zorn
Autoren: Charlaine Harris
Vom Netzwerk:
begann, sie zwischen "meinen Läufern umherzujagen. Diese sahen auf dem Hartholzfußboden großartig aus, bemerkte ich mit Freude.
    „Willst du was über Cully erfahren?" fragte Mimi.
    „Ich schätze schon." Ich hielt den Blick mit Sorgfalt fest auf Mao gerichtet. „Hat Rachel eingewilligt, im kleinen alten Knolls zu leben?"
    Cullys Frau hatte eine gefestigte, seltsame Auffassung vom Süden und von Kleinstädten. Rachel kam aus New York. Ich hatte die beiden ein paar Mal gesehen, als sie hochgefahren waren, um ihre Familie zu besuchen.
    „Er und Rache! haben sich auch gerade erst scheiden lassen. Die Houghtonkinder haben kein sonderlich gutes Durchhaltevermögen, wenn es darum geht, verheiratet zu bleiben."
    Cully war geschieden. Ich biß mir auf die Lippe, um nicht nachzufragen, warum sie mir das nicht vorher erzählt hatte. Es gab aber einige Fragen, die ich nicht zurückhalten konnte.
    „Warum ist Cully hierher zurückgekommen? Haben sie nicht in Memphis gewohnt? Was ist passiert?"
    „Er lebte in Memphis und ist zurückgekehrt, um seine Wunden zu lecken, genauso wie ich. Nur daß ich so viele habe, daß ich die ganze Zeit hierbleiben muß." Mimi lachte halbherzig. „Es gibt nichts besseres, als in einer Stadt zu leben, in der ein College, eine Straße und eine Bibliothek nach einem benannt sind. Jedes Mal, wenn du in einer Identitätskrise steckst, kannst du dich einfach umdrehen, und da ist dein Name. Dein Mädchenname jedenfalls."
    Ich warf ihr eine Zigarette zu, als sie sich umsah, um herauszufinden, ob eine andere Packung in Reichweite war. Sie fing sie genauso elegant wie Mao. Mimi ist immer gewandt und schnell. Sie ist zierlich, ein dunkler Typ mit schwarzem Haar, das sie wie eine Löwenmähne trägt. Sie sah an diesem Abend in ihrem prächtig gemusterten Kaftan zerbrechlich und lebendig aus. Mimi hatte sich noch nie vor kräftigen Farben gefürchtet.
    „Was passiert ist, um deine zweite — oder dritte? — frage zu beantworten ... meine Theorie bezüglich Rachel ist, daß sie nur eine anthropologische Studie über Südstaatenstammesriten gemacht hat. Als sie genug Material gesammelt hatte, gab sie Cully den Laufpaß, ich habe diese Heirat sowieso nie verstanden. Natürlich habe ich diesbezüglich auch eine Theorie. Ich glaube, Cully hat nach Mutters Gegenteil gesucht." Mimi spähte mich durch der Rauch ihrer Zigarette hindurch an und stieß die Luft aus, um ihrer Weisheit Nachdruck zu verleihen.
    „Erklär?"
    „Oh. Nun, Mutter ist immer noch schön, entschieden ungebildet, den gesellschaftlichen Umgangsformen verfallen und so konventionell wie irgend möglich. Ihr Lebensinhalt besteht darin, barmherzig zu sein. Rachel war - einfach, um es nett auszudrücken. Sie hat sich sehr für Sachen wie „Die Dialektik des Sex" interessiert, und ihre Vorstellung von extravaganter Bewirtung war es, ein bißchen Wein in die Spaghettisoße zu geben."
    Ich lachte; ich konnte nicht anders. Mimis Kurzporträts waren ein Element unserer Vertrautheit. Sie hatte immer geschworen, niemand sonst wäre mit ihr befreundet geblieben, nachdem er gehört hätte, wie fies sie sein konnte.
    „Was Cully übersah", sagte sie gedankenverloren, „war, daß sie beide Biester sind."
    „Schäm dich, deine Mama so zu nennen", sagte ich aus Pflichtgefühl, obwohl meine Mundwinkel zuckten.
    Mimi versuchte, angemessen beschämt dreinzuschauen. Das Verhältnis zu ihrer Mutter war zwiegespalten. Es gab Waffenruhe, manchmal für Monate, in der die beiden ihre Gedanken teilten und gut miteinander auskamen; aber es kam unvermeidlich zur Explosion — immer dann, wenn die Partisanin in Mimi vorherrschte. Der Krieg wurde nie ganz offen geführt; es war eine spannende Guerillavariante.
    „Übrigens", sagte Mimi wieder ernsthafter, „das College hat Cully als Studienberater angestellt, und er baut eine private Praxis auf. Brüll nicht Vetternwirtschaft, oder zumindest nicht so laut, ja? Ganze zwei Wochen, bevor Cully sich dazu entschloß, Memphis zu verlassen, hatte unser letzter Berater einige plötzliche Gesundheitsprobleme und sagte uns, er werde in Ruhestand gehen müssen."
    Ich machte mir meine eigenen Gedanken. „Vielleicht denkt Cully, ich sei wie eure Mutter und wollte mich deswegen immer lieber ignorieren", wagte ich zu sagen.
    „Warum ist mir das vorher noch nicht aufgefallen? Das muß es sein. Ich kann die unverkennbare oberflächliche Ähnlichkeit sehen. Da haben wir ihn, einen Psychologen; und er hat all das nie ergründet,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher