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Stummer Zorn

Stummer Zorn

Titel: Stummer Zorn
Autoren: Charlaine Harris
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geschlafen, seit ich es aufgestellt habe."
    Ich beobachtete Mao, der auf Mimis Schoß schlief. Mao war eine Liebhaberkatze, zierlich und anmutig und reinrassig. Ich blickte zurück auf den riesigen gelbbraunen Attila, der ein schelmisches
    Funkeln in den Augen hatte und überhaupt einen selbstgefälligen Eindruck machte. Da ich mich nicht zu ihm hinunterbeugte, um die gewünschte Bauchfläche zu kraulen, rollte er wieder auf die Pfoten und fing an, um meine Beine herumzuschwänzeln. Ich hoffte, in der Bevorzugung durch die Katze lag keine unschmeichelhafte Bedeutung.
    Aber ich erzählte dem Badezimmerspiegel, gleich und gleich geselle sich gern, ehe ich zusammen mit der Katze ins Bett kroch.
    Ich lag noch eine Weile wach und sinnierte über mein Glück. Als ich in den Schlaf glitt, dachte ich an die arme kleine Heidi Edmonds. Ich konnte mich nicht einmal an das Gesicht der Toten auf dem New Yorker Gehweg erinnern. Ich konnte sie in der Stadt zurücklassen. Aber im kleinen Knolls konnte ich die Tragödie eines Mädchens nicht vergessen, das ich nie gesehen hatte.
    Ich schickte Genesungs- und Wohlergehens wünsche in den Äther, kraulte schläfrig Attila hinter den Ohren und schlief mit der Hand immer noch auf dem breiten Katzenrücken ein.
    Ich hatte immer bedauert, daß Celestes Haus dem Campus, dessen Park wunderschön war, nicht direkt gegenüberlag; allerdings war es nur einen halben Häuserblock vom südwestlichen Ende des Colleges entfernt.
    Da ich nicht schweißgebadet zu meinem Termin erscheinen wollte, lieh ich mir für die erste Fahrt zum Campus Mimis Auto. Es hätte mir klar sein müssen, daß mich die ungewohnte Anspannung durch das Fahren nur noch aufgeregter machen würde. Ich biß mir auf die Lippen, bis ich wohlbehalten in die Haupteinfährt des Colleges einbog. Der Campus war genauso beeindruckend, wie ich ihn in Erinnerung hatte - grün und einladend, wenn auch gegen Ende dieses heißen Sommers ein bißchen welk.
    Um herauszufinden, wo sich das Anglistische Seminar befand, warf ich einen Blick auf den Campusplan, der ausgebreitet auf dem Beifahrersitz lag. Das Collegegelände wat leer und ruhig - in einer träumerischen Stille vor dem Ansturm der Erstsemester, die bald zu den Orientierungstagen ankommen sollten. Ich sah hier und da ein geparktes Auto, also mußten sich irgendwo Belegschaftsmitglieder verstecken. Aber die einzigen Menschenseelen, die ich flüchtig zu sehen bekam, waren Arbeiter auf dem Gelände.
    Unbeholfen schlitterte ich mit dem Chevy auf den ersten Parkplatz, den ich sah. Als ich ungefähr drei Meter gelaufen war, wurde mir nach einem erneuten Blick auf die Karte klar, daß ich viel näher am Anglistischen Seminar hätte parken können. Ich zögerte einen Moment, entschied mich dann aber, daß es die erneute Strapaze, den Wagen wieder zu bugsieren, nicht wert war. Der Park war ohnehin immer einen Besuch wert. Ich zuckte die Achseln und machte mich auf den Weg entlang des betonierten Fußweges.
    Der Park von Houghton war relativ bekannt. Als Mimis Großvatet das College gegründet hatte, hatte er ihn teils als Dienst an der Öffentlichkeit, teils als Touristenattraktion anlegen lassen. Fotografien der blühenden Kamelien und Rosen spielten in Houghtons Werbebroschüren immer eine wichtige Rolle. Es war unschwer zu erkennen, warum Houghton ein beliebter Ort für Hochzeiten im Freien war.
    Der Weg, auf dem ich entlanglief, führte durch das Herz des Parks und mehrere Wege kreuzend, an einer Seite det Bibliothek wiedet aus ihm heraus.
    Das Blattwerk war staubig, aber üppig, und der Rasen nach englischem Vorbild getrimmt. Die Taglilien standen in voller Blüte und ihr sattes Orange setzte sich farbenprächtig vom dunklen Grün ab. Nach der Zeit in New York war es schön, so viele Pflanzen zu sehen. Ich beugte mich vor, um mit dem Finger sachte über die Rundung eines Blütenblatts zu streichen. Tief in mit spürte ich eine Art wohltuende Entspannung. Ich kannte den Namen fast jeder Pflanze; meine Mutter war eine eifrige Gärtnerin gewesen, bis sie sich dem Trinken zugewandt hatte.
    Ich erinnerte mich an all die Male, als Mimi und ich als Teenager durch diesen Park geschlendert waren und getan hatten, als seien wir echte Collegestudentinnen. Wenigstens dieser Teil von Mimis Lebenstraum hatte sich erfüllt, auch wenn sie in anderen Bereichen weniger Glück gehabt hatte. Jetzt würde ich ihn für mich verwirklichen. Studentin am Houghton College. Wie jung diese Kinder mir vorkommen
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