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Stürmische Begegnung

Stürmische Begegnung

Titel: Stürmische Begegnung
Autoren: Rosamunde Pilcher
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die dunkelste Ecke rollte. Ich bückte mich, um ihn aufzuheben, und dabei fiel mein Blick auf einen anderen kleinen, glänzenden Gegenstand, der zur Hälfte unter der Gummimatte unter dem Spülbecken lag. Ich nahm ihn. Es war Andreas Medaillon, daneben lag das Silberkettchen, in der Mitte durchgerissen.
    Ich behielt es in der Hand. Ich schenkte den Whisky ein, das Soda, gab Joss ein Glas und kniete mich mit dem anderen neben ihn auf den Boden.
    „Das lag unter dem Spülbecken“, sagte ich und gab ihm die Kette.
    Er konnte es wegen seines geschwollenen Auges nicht gleich erkennen. Er blinzelte krampfhaft.
    „Was zum Teufel ist es?“
    ,„Andreas Medaillon.“
    „Oh, verdammt“, sagte er. „Hol mir bitte noch ein paar Kissen, ja? Ich konnte noch nie im Liegen Whisky trinken.“
    Ich nahm einige von den Kissen, die im Zimmer herumlagen, und schob sie ihm unter die Schulter. Es war eine Qual für ihn, sich aufzusetzen, und er stöhnte unwillkürlich auf.
    „Ist alles in Ordnung?“
    „Ja, natürlich. Mir geht es gut. Wo hast du das Ding gefunden?“
    „Ich habe es doch gesagt. Auf dem Boden.“
    „Sie ist heute abend hergekommen. Sie sagte, sie sei im Kino gewesen. Ich habe unten gearbeitet, ich wollte die Regale fertig machen. Ich sagte ihr, ich hätte zu tun, aber sie ging einfach nach oben. Ich kam hinterher und sagte noch mal, sie solle nach Hause gehen. Aber sie wollte nicht. Sie wollte etwas zu trinken, sie wollte mit mir reden… Du weißt schon, die ganze Litanei.“
    „Sie ist schon vorher hier gewesen.“
    „Ja, einmal. Irgendwann morgens. Sie tat mir leid, und ich habe ihr eine Tasse Kaffee gemacht. Aber heute abend hatte ich zu tun. Ich hatte keine Zeit für sie, und sie tat mir nicht leid. Ich habe ihr klar gesagt, sie solle gehen. Aber sie weigerte sich. Sie behauptete, zu Hause haßten sie alle, keiner wolle mit ihr reden. Ich sei der einzige Mensch, mit dem sie reden könne, ich sei der einzige, der sie verstehe.“
    „Vielleicht warst du das.“
    „Na ja, jedenfalls hatte ich Mitleid mit ihr. Wenn ich in Boscarva arbeitete, konnte sie immer kommen und mit mir re den, weil ich schlecht was dagegen tun konnte. Ich konnte sie schließlich nicht rauswerfen.“
    „Hast du das heute abend getan? Sie rausgeworfen?“
    „Nicht ausdrücklich. Aber zuletzt hatte ich genug von ihrem dummen Geplapper und ihrer Überzeugung, ich würde nichts lieber tun, als mit ihr ins Bett zu gehen. Es war das letzte, was ich wollte, und schließlich verlor ich die Geduld und sagte es ihr.“
    „Was ist dann passiert?“
    „Was dann passiert ist? Sie fing an zu schreien, weinte, machte mir Vorwürfe, bekam einen richtigen hysterischen Anfall. Sie beschimpfte mich, fing an um sich zu schlagen. Da wurde ich energisch und schob sie hinaus und warf ihren Regenmantel und ihre scheußliche Handtasche hinter ihr her.“
    „Du hast sie nicht verletzt?“
    „Nein, wo denkst du hin. Aber ich glaube, ich habe ihr einen Schrecken eingejagt, denn sie lief, so schnell sie konnte. Ich hörte, wie sie die Treppe hinunterlief, und dann muß sie wohl hingefallen sein, denn ich hörte, daß etwas auf den Boden plump ste. Ich rief ihr nach und fragte, ob alles in Ordnung sei, aber sie rannte aus dem Laden und schlug die Tür hinter sich zu, und deshalb glaubte ich, es wäre nichts weiter passiert.“
    „Ist es möglich, daß sie sich beim Fallen verletzt hat? Daß sie sich eine Beule im Gesicht geholt hat?“
    „Ja, schon möglich. Unten an der Treppe stand eine große Umzugskiste mit Porzellan. Sie könnte darauf gefallen sein… Aber warum fragst du?“
    Ich erzählte ihm alles. Als ich ausgeredet hatte, stieß er einen langen, ungläubigen Pfiff aus. Aber er war zugleich wütend.
    „Dieses Biest. Ich glaube, sie ist ein bißchen mannstoll und ziemlich überspannt.“
    „Das hab ich schon die ganze Zeit gedacht.“
    „Sie hat dauernd von einem Burschen namens Danus geredet und ist in alle möglichen intimen Details gegangen. Und diese Frechheit, allen zu sagen, ich hätte sie gebeten, mit mir ins Kino zu gehen. Ich würde sie nicht mal bitten, mit mir den Mülleimer zu leeren… Was macht sie jetzt?“
    „Wir haben sie ins Bett gepackt. Mollie hat den Arzt geholt.“
    „Wenn er irgend etwas taugt, hat er einen hysterischen Anfall diagnostiziert. Hoffentlich hat er ihr eine Tracht Prügel ver schrieben und ihr gesagt, es wäre das beste, wenn sie nach Lon don zurückführe. Damit sie hier kein Unheil mehr anrichten
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