Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stromschnellen: Roman (German Edition)

Stromschnellen: Roman (German Edition)

Titel: Stromschnellen: Roman (German Edition)
Autoren: Bonnie Jo Campbell
Vom Netzwerk:
Ende geraucht, steckte er an ihr eine zweite und an dieser schließlich eine dritte an. Margo begriff, dass die Zigaretten Smokes Todesengel waren und ihm Zug um Zug den Garaus machten, sie waren die Finger, die ihn quälend langsam erdrosselten. Als Smoke auch die dritte Zigarette im Aschenbecher auf dem Boden ausgedrückt hatte, streckte er sich wieder im Bett aus. Margo legte ihm die Hand auf die Schulter, beugte sich über ihn und küsste ihn auf die Wange.
    »Smoke, Sie haben sich ja rasiert! Ihre Haut ist ganz glatt.« Sie nahm seine Hände in ihre, und so schliefen sie ein.
    Als Margo erwachte, war sie allein. Das Quietschen von Smokes Rollstuhl im Nebenzimmer hatte sie geweckt. Sie hörte, wie die Tür zur Terrasse aufging, dann den tosenden Wind und Nightmares Winseln. Die Fensterscheiben klirrten im Sturm. In letzter Zeit fiel es ihr schwer, nachts aus dem Bett zu kommen, um etwas Holz im Ofen nachzulegen, denn das Geschöpf in ihrem Bauch versuchte jedes Mal, sie in die Welt der Träume zurückzuziehen, ja, es trübte ihr Bewusstsein, bis sie am Ende acht, neun oder gar zehn Stunden geschlafen hatte. Margo schüttelte die Müdigkeit ab, zog sich an und sammelte ihre Sachen zusammen, um keine Spuren zu hinterlassen, falls Smokes Nichten vorbeikamen. Früher, in Murrayville, war sie auch manchmal frühmorgens aus totenähnlichem Schlaf erwacht, doch damals hatte die Jagdlust sie aus dem Bett getrieben, und sie war schlagartig wach gewesen, als hätte jemand eine Lampe angeknipst. Leise hatte sie sich angezogen, das Gewehr ihres Vaters hinter dem Fahrersitz aus dem Pick-up oder aus dem Schrank geholt und war in den Wald gegangen. Wenn diese Lust sie nun überkam – und selbst an diesem Morgen verspürte sie einen Anflug davon –, reichte es normalerweise, dass sie sich vorstellte, wie sie einen Bock schoss, oder hinausging und nachsah, ob ihr Bisamratten oder Waschbären in die Falle gegangen waren, damit diese Anwandlung sich wieder legte.
    Margo ging in die Küche, aber dort war Smoke nicht, nur Nightmare, der an der Tür schnüffelte. Auf der Uhr mit den Leuchtziffern war es zwanzig nach sechs. Margo sah im Badezimmer nach, aber auch dort war Smoke nicht. Etwas früher an diesem Morgen hatte sie geträumt, dass Smoke grummelnd telefonierte, aber vielleicht war es gar kein Traum gewesen. Der noch dunkle Morgenhimmel wurde vom Schneetreiben aufgehellt. Margo machte kein Licht im Haus, damit sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Sie zog ihren Parka an, griff sich ihre Büchse aus dem Gewehrständer und hängte sie sich über die Schulter. Smoke hatte ihr sein Gewehr zwar geschenkt, aber sie nahm es nicht aus dem Ständer, aus Angst, er würde sich ohne es nicht mehr als ganzer Mann fühlen. Sie ließ Nightmare nicht hinaus, weil er womöglich bis ans Wasser laufen und den Wind anheulen würde, und dann würde sie warten müssen, bis er zurückkam, bevor sie sich wieder schlafen legen konnte. Sollte Smoke da draußen sein, würde Margo ihn schleunigst zurück ins Haus holen.
    Sie trat hinaus ins Schneegestöber. Smoke saß im Rollstuhl am Terrassenrand und blickte den steilen Hang zum Fluss hinunter. Er trug nur seine Brille, lange Unterwäsche und ein aufgeknöpftes Arbeitshemd mit seinem Namen darauf. Auf seinen Schultern und seinem bloßen Kopf sammelte sich Schnee, und bestimmt schnitt ihm der kalte Wind ins Gesicht, aber er sah nicht aus, als würde er frieren. Margo ergriff eine seiner halb zur Faust geballten Hände und stellte überrascht fest, dass sie warm war.
    »Sie sollten bei dem Schneesturm nicht hier draußen sein, schon gar nicht ohne Jacke. Und ohne Ihren Sauerstoff«, ermahnte ihn Margo. »Kommen Sie wieder ins Bett.«
    Drinnen bellte Nightmare.
    »In ein paar Minuten ist Sonnenaufgang«, sagte Smoke zwischen mehreren Atemstößen leise, und er hörte sich kräftiger an als tags zuvor. »Ich glaube, die Nachbarn sind verreist.«
    »Sie wollen sich den Sonnenaufgang im Schneesturm ansehen? Die Morgenröte?«
    Smoke seufzte, und Margo bemerkte, wie sein Blick zwischen dem Fluss und ihr hin- und herwanderte.
    »Schlafen Sie noch ein bisschen. Sonnenaufgang ist jeden Tag.«
    »Meine Jacke … Und meine Kippen …«, stieß er keuchend hervor. »Aber lass den Hund nicht raus.«
    Margo ging zurück ins Haus und versuchte, Nightmare zu beruhigen. »Ich bring Smoke rein, und dann gehen wir alle wieder schlafen«, sagte sie. Sie holte die Zigaretten aus dem Schlafzimmer und nahm die Jacke
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher