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Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Straße ins Nichts (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Autoren: James Lee Burke
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ich hatte ein Summen in den Ohren, ohne zu wissen, woher es kam.
    Vachel Carmouche öffnete die Haustür und trat ins Licht heraus. Ich sah die Zwillinge und die Tante hinter ihm aus der Tür spähen.
    »Ich glaube, Sie missbrauchen diese Kinder«, sagte ich.
    »Sie geben eine bedauernswerte und lächerliche Figur ab, Mr. Robicheaux«, erwiderte er.
    »Kommen Sie raus auf den Hof.«
    Sein Gesicht lag im Schatten, und im Schein der Lampe hinter ihm flirrte sein Körper vor Feuchtigkeit.
    »Ich bin bewaffnet«, sagte er, als ich auf ihn zuging.
    Ich schlug ihm mit der offenen Hand ins Gesicht, dass seine Bartstoppeln wie Schotter über meine Haut scharrten und sein Speichel an meinem Ballen klebte.
    Er betastete seine Oberlippe, die an den vorstehenden Zähnen aufgeplatzt war, und betrachtete das Blut an seinen Fingern.
    »Sie kommen hierher, stinken nach Erbrochenem und muffiger Kleidung und wollen über mich richten?«, sagte er. »Sie sitzen im Red Hat House und schauen zu, während ich Menschen vom Leben zum Tod befördere, und wollen mich dann verurteilen, weil ich mich um Waisenkinder kümmere? Sie sind ein Scheinheiliger, Mr. Robicheaux. Verschwinden Sie, Sir.«
    Er ging hinein, schloss die Tür hinter sich und schaltete das Verandalicht aus. Mein Gesicht fühlte sich in der Hitze und der Dunkelheit straff und gespannt an wie die Schale eines unreifen Apfels.
    Ich kehrte nach New Orleans zurück und widmete mich wieder meinem Ärger mit Wettbüros und einer dunkelhaarigen Ehefrau aus Martinique mit einer Haut wie Milch und Honig, die mit fremden Männern aus dem Garden District heim ging, während ich in einem Hausboot auf dem Lake Pontchartrain meinen Rausch ausschlief und von einer weiten Hochebene voller Elefantengras träumte, das vom Rotorenwind der Army-Hubschrauber niedergebogen wurde.
    Ich hörte allerhand Geschichten über die Labiche-Mädchen: dass sie Schwierigkeiten wegen Betäubungsmitteln hatten, sich auf sexuelle Abenteuer mit Bikern, College-Jungs und anderen windigen Bekanntschaften einließen, kleine Nebenrollen in einem Film spielten, der in der Umgebung von Lafayette gedreht wurde, und dass Letty im Gefängnis eine R&B-Platte aufgenommen hatte, die sich zwei, drei Wochen in den Charts hielt.
    Wenn ich wieder mal am Boden war, schloss ich die Mädchen oft in meine Gebete ein und bedauerte zutiefst, dass ich betrunken gewesen war, als ich in ihrem Leben möglicherweise eine Änderung hätte herbeiführen können. Einmal sah ich sie im Traum auf einem Bett kauern und auf die Schritte eines Mannes vor ihrer Tür lauschen, auf die Hand, die leise den Knauf umdrehte. Doch bei Tageslicht redete ich mir ein, dass ich durch mein Versagen nur einen Bruchteil zu ihrem tragischen Leben beigetragen hatte, dass meine Schuldgefühle nur eine weitere Ausgeburt einer vom Alkohol genährten Selbstüberschätzung wären.
    Vachel Carmouche wurde sein lange unterdrücktes Verlangen nach Ruhm und öffentlicher Anerkennung zum Verhängnis. Auf einer Urlaubsreise in Australien wurde er von einem Fernsehjournalisten über seinen Beruf als staatlicher Henker interviewt.
    Carmouche verhöhnte seine Opfer.
    »Sie versuchen den starken Mann zu markieren, wenn sie in den Raum kommen. Aber am Glanz in ihren Augen seh ich ihnen ihre Angst an«, sagte er.
    Er klagte darüber, dass die Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl keine angemessene Strafe für die Sorte Menschen wäre, die er vom Leben zum Tod beförderte.
    »Es geht zu schnell. Sie sollten leiden. Genau wie die Leute, die sie umgebracht haben«, sagte er.
    Der Journalist war so verdattert, dass er nicht weiter nachhakte.
    Die Aufnahme wurde von der BBC übernommen und danach in den Vereinigten Staaten ausgestrahlt. Vachel Carmouche verlor seinen Job. Nicht seine Taten legte man ihm zur Last, sondern dass er öffentlich in Erscheinung getreten war.
    Er verrammelte sein Haus und verschwand für viele Jahre, ohne dass wir je erfuhren, wohin. Eines Frühlingsabends vor acht Jahren kehrte er dann zurück, hebelte die Sperrholzplatten von seinen Fenstern und mähte mit einer Sichel das Unkraut in seinem Garten, während auf der Galerie das Radio spielte und am Grill ein Schweinebraten schmorte. Ein etwa zwölfjähriges schwarzes Mädchen saß am Rand der Galerie, ließ die bloßen Füße in den Staub baumeln und drehte träge an der Kurbel der Eismaschine.
    Nach Sonnenuntergang ging er hinein und aß am Küchentisch zu Abend. Eine gekühlte Weinflasche stand ungeöffnet
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