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Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)

Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)

Titel: Strange Angels: Verraten: Roman (PAN) (German Edition)
Autoren: Lili St. Crow
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Silberklumpen, den ich bei meinem ersten Besuch hier drinnen angeglotzt hatte, bis ich begriff, dass es ein mit Metall überzogener Schädel war. Er hatte eine längliche, hundeähnliche Form mit langen spitzen Reißzähnen. Ich beschloss zum tausendsten Mal, nicht zu fragen, ob es ein echter Blutsaugerschädel war.
    Auf den Regalen hinter Dylan standen ledergebundene Bücher, die mich mürrisch anglotzten und über denen sich Spinnweben gebildet hatten. Das Zimmer roch nach Leder, Staub und der Moschusnote von Teenagerhormonen, aber dennoch herrschte hier die Atmosphäre wie in einem Direktorenbüro.
    Ich war schon quer durch die Vereinigten Staaten in Direktorenbüros zitiert worden – bevor ich kapierte, dass ich am besten zurechtkam, indem ich mich möglichst unauffällig verhielt.
    Was ich in letzter Zeit denkbar schlecht hinbekam.
    Graves stand hinter mir. Dass Dylan ihm keinen Stuhl angeboten hatte, gefiel mir nicht, vor allem weil Dylan sich geweigert hatte, zu sprechen oder sich hinzusetzen, ehe ich saß. Sein Büro hatte Fenster mit den obligatorischen Eisengittern. Beim ersten Mal hatte ich eine Art Scherz gemacht, ob die Gitter uns drinnen oder die Blutsauger draußen halten sollten, aber die tödliche Stille und die gequälten Mienen aller anderen lehrten mich, lieber nichts mehr zu sagen.
    Vor den Gitterfenstern schimmerte der Rasen im Mondlicht. Kahle Bäume ragten kerzengerade auf, versilbert von Nebelfäden, die sich gleich hinter ihnen zu einer weißen Wand verwoben.
    Der Eisbeutel knirschte, als ich ihn an meine Nasenwurzel drückte. Dann sah ich zu Dylan auf.
    »Hör zu«, begann er in diesem Ich-habe-viel-Geduld-mit-dir-Tonfall. »Dein Kampftraining wird einige Zeit brauchen, und richtig fangen wir erst an, nachdem du deine Blüte erreicht hast. Wenn du unbedingt trainieren musst , solltest du es mit den Lehrern tun, nicht mit den Schülern. Und Graves … Er darf sich nicht jedes Mal einmischen, wenn er meint, dass jemand dich beleidigt hat oder sonst irgendetwas. Das ist zu gefährlich – für euch beide.«
    Gnädigerweise überging Dylan den Teil, dass ich Irving in den Wahnsinn trieb, indem ich ihn vollblutete. Wie nett!
    Ich wartete, dass Graves etwas sagte, doch er schwieg selbst dann noch beharrlich, als ich mich zu ihm umdrehte. Unter der rabenschwarzen Mähne funkelten seine Augen, aber seine Gesichtsfarbe war wieder normal. Auf dem einen Wangenknochen prangte ein Bluterguss, der sich fleckig lila färbte und anschwoll.
    Morgen wäre er wieder weg. Bei Loup-garous heilten Wunden noch schneller als bei Werwölfen. Sie genossen sämtliche Vorzüge der Wandlung, wie Schnelligkeit und Stärke, ohne die Silberallergie oder das Risiko, die Kontrolle zu verlieren.
    Wer hätte das gedacht? Ich hatte binnen einer Woche hier mehr gelernt, als Dad und ich uns in Jahren mühselig aus verschimmelten Büchern oder bei der Jagd nach seltsamem Zeug angeeignet hatten.
    Graves hatte die Lippen fest zusammengepresst. Beleidigt und trotzig funkelte er Dylan an.
    Von ihm konnte ich also keine Hilfe erwarten. Ich war wieder einmal auf mich gestellt.
    »Es war mein Fehler«, wiederholte ich. »Keiner der Lehrer hat jemals Zeit, mit mir zu trainieren. Sie behandeln mich wie eine Porzellanpuppe, und in den Kursen, in die sie mich gesteckt haben, lerne ich den gleichen Mist wie an jeder normalen Highschool. Wie soll ich in irgendetwas besser werden, wenn ich mit dem ganzen Kindergartenkram noch mal von vorn anfangen muss?«
    »Du bist eine Svetocha , Dru! Du bist kostbar. Du machst dir keinen Begriff, wie viel du wert bist – tot für die Nosferatu oder lebendig für uns.« Dylan stützte seine Ellbogen auf den Schreibtisch, worauf Papiere raschelten. »Muss ich es dir wirklich noch einmal erklären? Du bist noch nicht erblüht. Sobald du es bist, kannst du mit härterem Training anfangen, aber bis dahin …«
    »Bis dahin soll ich einfach herumsitzen und hübsch aussehen? Nein danke!« Ich merkte, wie ich das Kinn vorschob, was ein sicheres Zeichen war, dass ich schwierig wurde. »Ich will helfen! Ich war draußen und habe mit meinem Dad gejagt, während die meisten der Jungs hier wahrscheinlich in einem Grundkurs nach dem Motto ›Woran erkenne ich einen Blutsauger?‹ hockten. Mich in den Kindergarten zu stecken, läuft schlicht nicht!« Wieso kriegte er das nicht in seinen Schädel? Ich war keine gewöhnliche Schülerin, die nach Schulschluss bei Kmart shoppen ging!
    Ich war ebenfalls eine Jägerin.
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