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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition)
Autoren: John Niven
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seiner Jacke vergessen und die Garderobenmarke nicht mehr gefunden. Das Mädchen war so nett gewesen, ihn in die Gar derobe zu lassen, sodass er eigenhändig danach suchen konnte. Sie studierte Englisch an der Columbia University und war außerdem ein erklärter Fan von ihm. Ziemlich schnell machten sie in den duftenden Falten teurer New Yorker Mäntel herum, während Vicky nur fünfzig Meter entfernt einen Zweihundertdollar-Barolo in einem Weinglas von der Größe eines Goldfischglases schwenkte. Er konnte sich immer noch daran erinnern, wie fest sich der Hintern des Garderobenmädchens durch die dünne Baumwolle ihres Kleids angefühlt hatte. Kennedy Marr hätte seine rechte Hand gegeben, um den Geburtstag seiner Tochter auswendig zu wissen. Auf der anderen Seite war er ohne langes Nachdenken in der Lage, die genaue Beschaffenheit eines Arsches zu beschreiben, den er wann betatscht hatte? Vor zwei Jahren? Was stimmte nicht mit ihm? Vielleicht gehörte er in Therapie. Dann erinnerte er sich: Er war ja in Therapie.
    Aber die Sache mit Simone auf seiner Hochzeit war noch mal ein ganz anderes Kaliber gewesen. Zu seiner Verteidigung – und Verteidigung war etwas, das Kennedy dringend brauchte, mein Gott, wie dringend er sie brauchte – blieb höchstens zu sagen, dass es bereits ziemlich spät und er absolut volltrunken gewesen war. Noch dazu hatte seine eigene Braut ihn in ihrer gemeinsamen Suite im Beverly Hills Hotel gerade mit einer äußerst wohlmeinenden Line Koks überrascht. Auf seinem Weg zurück zur Polo Lounge war er Simone in die Arme getorkelt, die – hier tritt erneut die Verteidigung vor, allzeit bereit, ihre Argumente vorzutragen – auch noch unverschämt gut aussah. Außerdem hatten sie beide immer schon so ein unausgesprochenes Ding am Laufen. Simone war ebenfalls betrunken gewesen, und die Behindertentoilette neben der Lobby hatte sich ihnen regelrecht aufgedrängt. Was folgte, war ein irrer Rausch aus Alkohol und Triebgier, in dessen wirrem Verlauf irgendwie an einer Kordel gezogen wurde. Definitiv der falschen Kordel: Kennedy hörte lautes Geschrei – und als er sich umdrehte, geblendet von grellem Licht, standen da diese Hotelangestellten, die wohl mit einem in Schwierigkeiten geratenen Behinderten gerechnet hatten. Was sie stattdessen vorfanden, war ein frisch verheirateter Starautor auf Zehenspitzen, der gerade die beste Freundin seiner Frau von hinten bearbeitete. Und inmitten des Personals: Vicky, immer noch im Hochzeitskleid, schnaufend, die Fäuste geballt. Das Gefühl, ins Gesicht geschlagen zu werden, während der eigene Schwanz noch bei jemandem im Hintern steckt, ist … nun ja … ziemlich speziell. Der Richter im Scheidungsverfahren hatte lauthals gelacht, als Vickys Anwalt die gnädigerweise entschärfte Beschreibung der Ereignisse dieser Hochzeitsnacht verlas. Zum Zeitpunkt der Geschehnisse waren sie weniger als neun Stunden verheiratet gewesen. Zwei Jahre danach war das Gezänk um die Scheidungsvereinbarung immer noch nicht beendet. Dämliches Kalifornien.
    Während Kennedy in der prallen Mittagssonne auf dem Bürgersteig stand, drohte das iPhone an seinem Ohr zu glühen, was nicht allein der höllischen Hitze geschuldet war. Vickys Zorn schien noch lange nicht verraucht zu sein. »Und noch etwas: Murray wird sich bei dir wegen dem Warhol melden.« Murray Chalmers war der Anwalt der künftigen ehemaligen Mrs. Marr.
    »Den verdammten Warhol habe ich gekauft.«
    »Du hast ihn FÜR MICH GEKAUFT, KENNEDY! «
    »Für das Haus!«
    » Unser Haus.«
    »Hör zu, Vicky, ich muss jetzt dringend in ein Meeting, in Ordnung? Ich ruf dich später an.«
    » WAG ES BLOSS NICHT, JETZT AUFZU… «
    Klick. Und Stille.

vier
    Der Fahrstuhl hatte ihn von einem Kreis der Hölle in den nächsten befördert.
    »Ganz so schlimm kann es doch nicht sein«, sagte Kennedy, der sich weigerte, die teuflischen Zahlenreihen eines näheren Blickes zu würdigen. »Ich meine, mal im Ernst, Leute, ihr wollt mich doch auf den Arm nehmen, oder?«
    Dass sich da etwas anbahnte, dass offenbar irgendetwas ziemlich schiefgelaufen war, das hatte er schon geahnt, als Braden ihn in den Raum lotste und dieser Finanzfritze – Craig Soundso? – bereits am Tisch saß. Wie immer hatte er vorher die üblichen Rituale überstehen müssen: Erst wurde am Empfang ein übertriebenes Gewese um sein Eintreffen veranstaltet, dann, nachdem ihm einer der Büro-Neulinge gestanden hatte, dass Kennedy »so was wie sein ewiger
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