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Stolz und Verlangen

Stolz und Verlangen

Titel: Stolz und Verlangen
Autoren: LYNNE GRAHAM
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in den engen Raum hineinzubekommen. „Sie mögen Rot“, bemerkte er.
    „Dann findet man den Wagen leichter auf dem Parkplatz. Wo wohnen Sie?“
    Die Adresse, die er ihr nannte, war ebenso exklusiv und nobel wie er selbst. Sicherlich die richtige Umgebung für ihn, und glücklicherweise nicht allzu weit von dem Stadtteil entfernt, in dem sie wohnte.
    „Wie sind Sie denn zu der Feier gekommen?“, fragte sie ihn.
    „Mit dem Auto. Aber ich habe zu viel getrunken, um noch zu fahren“, antwortete er.
    „Haben Sie deshalb vorhin gesagt, dass Sie nicht Sie selbst sind?“ Sie musste vor einer roten Ampel halten, und neugierig sah sie zu ihm hin. Er wandte ihr das Gesicht zu. Ihr fielen wieder seine dunklen Augen auf, die in dem roten Licht noch intensiver zu schimmern schienen.
    „Nein. Heute ist der erste Todestag meiner Frau. Ich stehe schon die ganze Woche irgendwie neben mir.“ Kaum dass er es ausgesprochen hatte, wunderte er sich, wieso er etwas so Persönliches preisgab. Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich.
    Für einen Augenblick versteifte Molly sich, dann kam ihre natürliche Herzlichkeit an die Oberfläche und übernahm die Führung. Sie streckte die Hand aus und drückte seine Finger. „Das tut mir leid. War sie krank?“
    Leandro versteifte sich, er wusste nicht, wie er mit diesem aufrichtig gezeigten Mitgefühl umgehen sollte. „Nein, ein Autounfall. Es war meine Schuld. Wir … hatten einen Wortwechsel, bevor sie das Haus verließ“, erklärte er gepresst.
    Ein Wortwechsel? Meinte er damit einen Streit? „Sie dürfen sich nicht die Schuld dafür geben. Falls Sie nicht hinter dem Steuer gesessen haben, dann war es ein tragischer Unfall. Es ist ungesund, etwas anderes zu denken.“
    Ihre Offenheit und ihr Sinn fürs Praktische waren eine erfrischende Abwechslung im Vergleich zu den meisten Menschen, die alle sorgsam darauf achteten, das heikle Thema um Aloises Tod zu vermeiden. Leandro konnte sich auch nicht entsinnen, je so spontan seine Zurückhaltung aufgegeben und sich einem anderen anvertraut zu haben.
    Er war also Witwer. Molly konnte nicht sagen, was sie über diese unerwartete Information dachte. „Fühlen Sie sich schuldig, weil Sie mich geküsst haben?“
    Seine Miene wurde starr. Sie hatte ins Schwarze getroffen, aber plötzlich schien ihm ihre Offenheit nur indiskret. „Ich glaube, das müssen wir nicht unbedingt ansprechen.“
    „Wie lange arbeiten Sie schon als Kellnerin?“, fragte er, als das Schweigen drückend wurde.
    „Als Studentin an der Kunstakademie habe ich es als Aushilfsjob gemacht. Das half dabei, mir das Studium zu finanzieren. Wenn ich es mir leisten kann, bin ich eigentlich Töpferin, aber das Kellnern zahlt meine Rechnungen.“
    Wieder breitete sich Schweigen aus. Inzwischen waren sie bei der Adresse angekommen, Molly hielt vor dem beeindruckend modernen Wohnhaus an, auf das Leandro deutete. Er dankte ihr und wollte aussteigen, doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Der defekte Türgriff, von dem Molly gedacht hatte, er sei repariert worden, machte Schwierigkeiten. Mit einer gemurmelten Entschuldigung stieg Molly aus, rannte um den Wagen herum und zog die Beifahrertür von außen auf.
    Leandro schälte sich aus dem Auto und reckte sich, froh, dem winzigen Wageninneren entkommen zu sein. Molly, so fiel ihm auf, reichte ihm gerade bis zur Brust. Da war etwas extrem Feminines an ihrer grazilen Statur. Ein Bild tauchte vor ihm auf – ein kraftvolles, sexuelles Bild, wie er sie auf seine Hüften hob, und nur mit äußerster Anstrengung schaffte er es, dieses Bild zu verdrängen. Er wollte sie in seine Arme ziehen, wollte ihren Körper an sich pressen und mit ihr schlafen. Es erstaunte ihn, wie viel Kraft es ihn kostete, die Finger von ihr zu lassen, und er war wütend über sich, dass er seine Libido nicht besser unter Kontrolle hatte.
    Mit einem knappen Abschiedsgruß hastete Molly zurück hinters Steuer. Sie warf einen letzten Blick auf ihn, wie er auf den Eingang zuging und den Portier grüßte, dann verschwand er aus ihrem Sichtfeld. Und sie, sie fühlte sich seltsam verlassen und einsam.
    Über so viel Albernheit konnte sie nur den Kopf schütteln. Sie gurtete sich an, dabei fiel ihr Blick auf etwas, das auf der Beifahrerseite im Fußraum lag. Sie beugte sich vor und hob es auf. Es war die Brieftasche eines Mannes. Sie konnte nur dem Mann gehören, der soeben aus dem Wagen gestiegen war.
    Mit einem entnervten Stöhnen ließ sie den Gurt zurückschnappen und
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