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Stoerfall in Reaktor 1

Stoerfall in Reaktor 1

Titel: Stoerfall in Reaktor 1
Autoren: Wolfram Hänel
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demonstrieren, dass er jetzt ganz bestimmt keinen Kaffee kochen wird. Polizei, denkt er, das würde passen. Die Typen sehen aus wie die Bullen aus irgendeinem Krimi. Der eine im Anzug mit weißem Hemd und offenem Jackett, der andere mit T-Shirt und Lederjacke. Auf dem T-Shirt ist irgendein Aufdruck einer amerikanischen Universität, die es wahrscheinlich gar nicht gibt. Er hat auffällig lange Haare, glatt nach hinten gegelt, und müsste sich dringend mal rasieren. Keiner, der in einem Ministerium arbeitet, läuft so rum. Staatsschutz, nicht Strahlenschutz …
    Â»Ich weiß nicht, was das soll«, mischt sich jetzt Lukas’ Mutter ein, die nach ihm in die Küche gekommen ist und den letzten Satz noch mitgekriegt haben muss. »Sie können doch nicht einfach …«
    Â»Doch, können wir.«
    Der mit der Lederjacke zieht sich einen Stuhl heran und setzt sich. Der andere streckt Lukas’ Mutter die Hand hin: »Koschinski.« Er deutet mit dem Daumen zum Küchentisch. »Und mein Kollege Müller. Ein Kaffee wäre nicht schlecht, wir sind seit heute Morgen auf den Beinen. Tut mir leid, wenn wir ungelegen kommen, aber es muss sein. Wir machen auch nur unsere Arbeit.«
    Lukas’ Mutter zuckt resigniert mit der Schulter, als wäre jeder Widerspruch ohnehin umsonst. Sie greift nach der Dose mit dem Kaffeepulver und füllt wortlos die Espressomaschine.
    Â»Espresso ist klasse«, sagt Koschinski und setzt sich ebenfalls hin. Lukas überlegt, ob er unter irgendeinem Vorwand nach draußen verschwinden und seinen Vater anrufen soll. Der ist zum Einkaufen in die Stadt gefahren. Aber was soll er ihm am Handy sagen? Komm schnell zurück, hier bei uns sind gerade zwei Typen aufgetaucht, die irgendwie komisch sind? Und wenn sein Vater fragt, was sie wollen, was soll er dann sagen? Weiß ich auch nicht? Er weiß doch, was sie wollen! Jedenfalls glaubt er es zu wissen. Er weiß nur nicht, ob man einfach sagen kann: Nee, passen Sie mal auf, so läuft das nicht. Sie gehen jetzt bitte wieder. Und zwar ohne Kaffee …
    Â»Und Sie sind also Lehrerin?«, wendet sich der Typ mit der Lederjacke an Lukas’ Mutter. »Hier in Wendburg an der Grundschule, ja?« Als ob er das nicht schon längst wüsste! »Kein leichter Job, denke ich mal«, redet er weiter, ohne eine Antwort abzuwarten. »Die Kinder sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Obwohl es hier im Ort ja wahrscheinlich recht friedlich zugeht. Verglichen mit der Großstadt, meine ich.«
    Lukas’ Mutter nickt kurz. »Das kommt darauf an«, sagt sie.
    Â»Worauf?«, hakt Koschinski sofort nach.
    Die Espressomaschine zischt. Lukas’ Mutter füllt zwei Espressotassen und stellt sie auf den Tisch.
    Lukas sieht, dass ihre Hände zittern.
    Â»Ob man seinen Beruf ernst nimmt oder nicht, wie überall«, antwortet sie dann, während sie das Glas mit den Zuckerpäckchen vom Regal nimmt, die Lukas und Karlotta früher immer im Urlaub gesammelt haben. Als sie noch alle zusammen Urlaub gemacht haben. Als noch alles in Ordnung war.
    Â»Nein danke, nicht für mich«, sagt Müller und hält die flache Hand über seine Tasse.
    Â»Für mich kann es nicht genug Zucker sein.« Koschinski studiert die Aufschrift auf dem Würfelzucker. »Aus Frankreich«, sagt er und reißt das Papier auf.
    Â»Was soll das?«, fragt Lukas’ Mutter jetzt. »Ich glaube, ich würde jetzt gerne mal wissen, was Sie eigentlich von uns wollen. Denn Sie sind bestimmt nicht hier, um über Würfelzucker zu diskutieren, oder?«
    Â»Wir versuchen nur, in ein Gespräch mit Ihnen zu kommen«, sagt Koschinski. »Aber bitte, machen wir es konkret: Ihre Tochter ist an Leukämie erkrankt?«
    Die Frage kommt so unvermittelt, dass Lukas zusammenzuckt. Auch seine Mutter braucht einen Moment, bis sie reagiert. Aber dann ist ihre Stimme fast unhöflich. »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht …«
    Â»Sehen Sie«, mischt sich Müller wieder ein. »Das ist wie ein großes Puzzle und wir sind gerade dabei, die Einzelstücke zusammenzufügen, bis sich hoffentlich ein klares Bild ergibt. Deshalb stellen wir diese Fragen.«
    Â»Sie wissen doch sowieso schon alles«, stößt Lukas zwischen den Zähnen hervor. Er ist so angespannt, dass er die Hände zu Fäusten geballt hat. »Ja, meine Schwester ist krank, sie hat Leukämie, das
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