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Stine

Stine

Titel: Stine
Autoren: Theodor Fontane
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aus dem ihr zur Verfügung stehenden Material gemacht werden konnte, war daraus gemacht worden und ließ wenigstens momentan übersehen, wie sehr und zum Teil auch in wie komischer Weise sich die hier aufgestellten Sachen untereinander widersprachen. Ein Büfett, ein Sofa und ein Pianino, die, hintereinander weg, die von keiner Tür unterbrochene Längswand des Zimmers einnahmen, hätten auch bei »Geheimrats« stehen können; aber die von der Pittelkow eben geradegerückten drei Bilder stellten das im übrigen erstrebte Ensemble wieder stark in Frage. Zwei davon: »Entenjagd« und »Tellskapelle«, waren nichts als schlecht kolorierte Lithographien allerneuesten Datums, während das dazwischen hängende dritte Bild, ein riesiges, stark nachgedunkeltes Ölporträt, wenigstens hundert Jahre alt war und einen polnischen oder litauischen Bischof verewigte, hinsichtlich dessen Sarastro schwor, daß die schwarze Pittelkow in direkter Linie von ihm abstamme. Gegensätze wie diese zeigten sich in der gesamten Zimmereinrichtung, ja schienen mehr gesucht als vermieden zu sein, und während sich an einem der Wandpfeiler ein prächtiger Trumeau mit zwei vorspringenden goldenen Sphinxen breitmachte, standen auf dem Bücherschrank zwei jämmerliche Gipsfiguren, eine Polin und ein Pole, beide kokett und in Nationaltracht zum Tanze ansetzend. Am interessantesten aber präsentierte sich der eben erwähnte Bücherschrank selbst, dessen vier Mittelfächer leer waren, während auf seinem obersten Brett zwölf prachtvoll in Leder gebundene Bände von Humes »History of England« und achtzehn Bände »OEuvres posthumes de Frédéric le Grand« standen und einen wundervollen Gegensatz zu dem »Berliner Pfennigmagazin« bildeten, das, in zwei Haufen übereinandergetürmt, unten im Schrank lag. All dies Einrichtungsmaterial, Kleines und Großes, Kunst und Wissenschaft, war an ein und demselben Vormittage gekauft und mittels Handwagen, der ein paarmal fahren mußte, von einem Trödler in der Mauerstraße nach der Invalidenstraße geschafft worden. Auf die vor allem verwunderlichen französischen und englischen Prachtbände hatte
der
, aus dessen Mitteln dies alles kam, eigens und mit besonderem Nachdruck bestanden, »auf daß«, wie er sich in seiner spöttisch huldigenden Weise auszudrücken liebte, »die Welt erfahre, wer Pauline Pittelkow eigentlich sei«.
    Das waren die Schätze, die jetzt, von der Tür her, einer letzten Musterung unterworfen wurden, und als schließlich auch noch die Fransen des vor dem Sofa liegenden Brüsseler Teppichs geradegezupft waren, sagte die Pittelkow: »So, Stine, nu komm, nu kochen wir uns einen Kaffee, das heißt einen orntlichen. Und Olga holt uns was dazu. Willst du Streusel oder bloß mit Zucker und Zimt?«
    »Ach, Pauline, du weißt ja...«
    »Na, dann Streusel... Olga.«
    Und diese, die, weil die Tür aufstand, jedes Wort gehört und sich nur zum Schein, aber eben deshalb auch um so zudringlich-liebevoller mit dem »Brüderchen« beschäftigt hatte, stürzte jetzt, wie besessen, aus der Hinterstube nach vorn und war ganz Ohr und Auge.
    »Da, Olga. Nu geh. Aber von Katzfuß, nich von Zachow. Und nasche nich wieder und rede nachher von Krümel.«
    »Und nu, Stine«, fuhr die Pittelkow fort, während Olga verschwand und das längst blankgewordene Treppengeländer im Nu herunterrutschte, »nu wird's auch wohl Zeit, uns fein zu machen. Aber komme nich wieder in deinem grünen Kamlott. Du weißt, so was kann er nich leiden. Und solang es so is, wie es is, muß man doch machen, was er will. Und denn bringt er ja auch das ausgepustete Ei mit. Und
die
kenn ich, die verlangen immer am meisten, und wenn's weiter nichts is, wollen sie wenigstens was sehn un Augen machen. Und das weiß auch die Wanda. Paß mal auf, die kommt wieder mit 's schwarze Samtkleid und 'ne Rose vorn. Ich muß immer lachen.«
    Und wirklich, Wanda kam in schwarzem Sammet und sah sehr stattlich aus. Ihr Kopf hatte nichts von der frappierenden Schönheit ihrer alten Schul- und Jugendfreundin, aber an »Pli« war sie dieser, wie die Pittelkow selbst zugestand, sehr überlegen. »In Pli kann ich gegen Elisabetten nich an.« Das war die letzte Rolle, worin sie Wanda gesehen und beinahe widerwillig bewundert hatte.
    »Ah, Wanda«, so begrüßte sie jetzt die Freundin, »das is nett, daß du da bist; immer pünktlich.«
    »Ja, liebe Pauline, das is so bei uns, das lernen wir wie die Soldaten. Wenn 's Stichwort fällt, müssen wir vor, und wenn's
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