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Stine

Stine

Titel: Stine
Autoren: Theodor Fontane
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die rote Rose.«
    Wanda verneigte sich und überreichte dem alten Grafen die rote Rose, die so sinnig den Schluß seiner Rede gebildet hatte. Der alte Baron aber stieß von der andern Seite her mit beiden an.
    Es folgte nun Toast auf Toast, Papageno ließ Stine leben, und nachdem auch noch Waldemar, ebenfalls an Stine sich wendend, ein paar Worte gesprochen, sprach Wanda, wie herkömmlich, in Klappreimen, die sie sich übrigens auf die einfachste Weise, indem sie »Liebe« statt »Freundschaft« setzte, für Gelegenheiten wie die heutige aus einem alten Stammbuchvers zurechtgemacht hatte. Zuletzt ergriff der alte Graf noch einmal das Wort, um seine Freundin Pauline leben zu lassen. Er verschwieg aber ihren Namen dabei, sprach nur ganz allgemein über den Zauber und die Vorzüge der Witwenschaft und schloß mit dem Ausruf: »Es lebe meine Mohrenkönigin, meine Königin der Nacht.«
    Alles erhob sich, und Baron Papageno versicherte, daß das ein echter Sarastro-Toast gewesen sei und daß die Reihe der Trinksprüche nicht würdiger hätte schließen können.
    Alle stimmten zu, nur nicht
die
, der der Trinkspruch gegolten hatte. Das Drastische darin mochte gehen (verhöhnte sie doch selber alles, was sie »sich zieren« nannte), der Spott aber, der durchklang, und ein behagliches Sich-Ergehen in Witzeleien, die sie nur halb verstand und die gerade deshalb ihr schlimmer erschienen, als sie waren –
das
verdarb ihr die Stimmung, und so sagte sie, während sie sich verfärbte: »Na, Graf, bloß nich so, bloß nich übermütig. Das lieb ich nich. Un so vor alle! Was sollen denn der junge Herr Graf davon denken?«
    »Immer das Beste.«
    »Na, das Jute wäre mir lieber.« Und während sie sich Wasser einschenkte, wiederholte sie: »Königin der Nacht. Is nich zu glauben.«
     
Fünftes Kapitel
     
    Die sich im Herzen der Witwe Pittelkow regende Verstimmung würde sich bei der vorherrschenden Tafelheiterkeit unter allen Umständen rasch wieder verzogen haben, der alte Graf aber, der die beispiellose Heftigkeit seiner »Königin der Nacht« nur zu gut kannte, hielt es nichtsdestoweniger für angezeigt, auch der bloßen Möglichkeit eines Sturmes vorzubeugen. »Ich denke«, sagte er, »wir sorgen für etwas frische Luft und nehmen im Nebenzimmer den Kaffee.«
    »Geht nich«, erwiderte die Pittelkow. »Alle Gardinen ab; alles wie Kraut und Rüben...«
    »Gut denn, so bleiben wir. Auch eng und warm hat seine Vorzüge... Darf ich bitten...« Und damit nahm er, die Tafel aufhebend, Wandas Arm und geleitete sie bis an den Sofaplatz, den sie beim Erscheinen der Herren innegehabt hatte. Der junge Graf führte Stine, während der mit der Sitte solcher Pittelkow-Abende längst vertraute Baron ohne weiteres einen eleganten Liqueurkasten und eine Zigarrenkiste vom Büfett her auf den Sofatisch setzte. Der alte Graf nickte zustimmend, strich ein Phosphorholz an der Sohle seines Lackstiefels und zündete sich eine sorgfältig gewählte Havanna an. Als er den ersten Zug getan und die Wolke weggeblasen hatte, wandt er sich kavalierhaft verbindlich an Wanda und Stine und sagte: »Die Damen erlauben doch?«
    Frau Pauline hatte sich gleich von Tisch in die Küche begeben und kam schon nach wenigen Minuten mit dem Kaffee zurück, eine Schnelligkeit, die sich nur daraus erklärte, daß sich Olga der ihr gewordenen Doppelaufgabe: das Kind ruhig und das Wasser im Kochen zu erhalten, mit einer durch Furcht und Hoffnung gleichmäßig geschärften Gewissenhaftigkeit unterzogen hatte. Der Kaffee wurde präsentiert, auch der alte Baron nahm aus dem Zigarrenkistchen, und einen Augenblick später kräuselten sich die Rauchwolken von zwei Seiten her durch die Luft.
    »In der ganzen Welt gibt es keine zweite solche Zigarre«, versicherte Papageno.
    »Zugestanden«, erwiderte der Graf. »Und zudem eine Zigarre
hier
, im Hause meiner Freundin, ist mir immer wie Opiumrauchen, das glücklich macht, und bei jedem neuen Zuge seh ich die Gefilde der Seligen oder, was dasselbe sagen will, die Houris im Paradiese.«
    »Na, na«, sagte die Pittelkow, die, wenn sie nicht schon da waren, neue Verhöhnungen fürchten mochte.
    Der alte Graf aber ließ sich durch diesen Zuruf nicht stören und fuhr seinerseits fort: »Überhaupt alles wundervoll, und ich vermisse nur eins, die Liqueure. Papageno hat freilich für den Kasten gesorgt – – dafür ist er Papageno –, aber nicht für den Schlüssel... Ah, sieh da, Fräulein Stine bringt ihn schon. Ich glaube, sie hat
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