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Stine

Stine

Titel: Stine
Autoren: Theodor Fontane
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über Feld und Wald.
    »Es ist hell genug... Und ich mag auch die Lampe nicht brennen und erst gegen Morgen verlöschen und verschwelen lassen, als hätt ich abgeschlossen bei Rausch und Gelage.
Mein
Leben ein Bacchanal!«
    Und er löschte die Lichter und trank. Und dann nahm er seinen Platz wieder ein und lehnte sich zurück und schloß die Augen.
     
Sechzehntes Kapitel
     
    Den dritten Tag danach war von Mittag ab ein stilles, aber rühriges Treiben auf dem Bahnhofe von Klein-Haldern. Eine dicht neben dem Stationshause befindliche Pforte wurde mit Tannenzweigen umwunden, Oleander und Lorbeerbäume standen, eine Hecke bildend, in Front, und an dem Querbalken der Pforte hing ein großer Immortellenkranz, dessen Öffnung das Haldernsche Wappen zeigte. Hinter dem Stationshause hielten mehrere herrschaftliche Wagen, die Kutscher mit einem Trauerflor um den Hut, in einem als Ausläufer des Perrons sich hinziehenden Gartenstreifen aber schritten ein Dutzend schwarzgekleidete Personen auf und ab, Dorfleute von mittleren Jahren, und sprachen ernst und leise miteinander.
    Drei Uhr dreißig kam der Zug. »Haldern«, »Klein-Haldern«, riefen die Schaffner und öffneten ein paar Coupés, aus denen verschiedene Personen ausstiegen: zunächst ein alter Geistlicher von besonderer Würde, dem man seines Amtes und seiner Jahre halber den Vorrang gönnte, dann ein Oberst mit seinem Adjutanten und endlich mehrere reichbordierte Herren, die selbst der Klein-Halderner Stationsbeamte nicht kannte. Die Hüte mit Federbüschen aber und mehr noch der ausgesuchte Respekt, mit dem ihnen selbst von seiten des Obersten begegnet wurde, ließen keinen Zweifel darüber, daß es, wenn nicht Prinzlichkeiten, so doch Personen vom Hof oder vielleicht auch hohe Ministerialbeamte sein mußten. Alle gingen auf den Ausgang zu, vor dem die Wagen im selben Augenblicke vorfuhren, und eine Minute später sah man nichts mehr als eine Staubwolke, die sich, immer dichter werdend, auf dem halbchaussierten Fahrwege dem nächsten Dorfe zu bewegte.
    Während diese Szene sich in Front des Stationsgebäudes abspielte, wurde weiter abwärts im Zuge die große Schiebetür des letzten Wagens geöffnet und von innen her ein Sarg herausgehoben, den jetzt sechs Träger aus der Zahl derer, die bis dahin im Garten auf und ab marschiert waren, in Empfang nahmen und auf ihre Schultern hoben; andere sechs gingen zur Ablösung nebenher, und was sonst noch auf dem Bahnhof war, folgte. Solange dieser Zug den auf eine kurze Strecke zur Seite des Bahnkörpers hinlaufenden Fahrweg innehielt, war alles still; im selben Augenblick aber, wo Sarg und Träger von eben diesem Fahrweg her in eine Kirschallee einbogen, die von hier aus gradlinig auf das nur fünfhundert Schritt entfernte Klein-Haldern zuführte, begann die Klein-Haldernsche Schulglocke zu läuten, eine kleine Bimmelglocke, die wenig feierlich klang und doch mit ihren kurzen, scharfen Schlägen wie eine Wohltat empfunden wurde, weil sie das bedrückende Schweigen unterbrach, das bis dahin geherrscht hatte.
    So ging es nach Klein-Haldern hinein, ohne daß man etwas anderes als die Schulglocke gehört hätte; kaum aber, daß man nach Passierung der Schmiede – mit der das Dorf nach der andern Seite hin abschloß – in die von Klein-Haldern nach Groß-Haldern hinüberführende, beinah laubenartig zusammengewachsene Rüsterallee einmündete, so nahm auch schon ein allgemeines Läuten, daran sich die ganze Gegend beteiligte, seinen Anfang. Die Groß-Halderner Glocke, die sie die Türkenglocke nannten, weil sie von Geschützen gegossen war, die Matthias von Haldern aus dem Türkenkriege mit heimgebracht hatte, leitete das Läuten ein; aber ehe sie noch ihre ersten fünf Schläge tun konnte, fielen auch schon die Glocken von Crampnitz und Wittenhagen ein, und die von Orthwig und Nassenheide folgten. Es war, als läuteten Himmel und Erde.
    Halben Wegs zwischen den Dörfern lief ein Grenzgraben, über den eine steinerne Brücke führte. Jenseits dieser Brücke betrat man die Groß-Halderner Feldmark, und hier begann denn auch das Spalier, das alt und jung auf dieser letzten Wegstrecke gebildet hatte. Den Anfang machten die Schulen. Danach kamen die Kriegervereine mit einem Trompetercorps aus der nächsten kleinen Garnison, und immer wenn die Träger an einer Sektion vorüber waren, schwenkte diese dreigliedrig ein und folgte mit »Jesus, meine Zuversicht«. Am Schluß aber marschierten ein paar Dreizehner Veteranen mit der alten
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