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Stine

Stine

Titel: Stine
Autoren: Theodor Fontane
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und haben beide vierzehn Tage lang eingesehn, daß sich auch ohne Mondscheinkuß immer noch leben läßt, so haben wir wenigstens einen guten Anfang gemacht. Und dann sehen wir weiter.«
    Die Pittelkow war im wesentlichen damit einverstanden und fiel, als ihr Haldern auch erzählt hatte, daß Waldemar nach Amerika wolle, rasch wieder in ihren Alltags- und Gemütlichkeitston. »Ich war von Anfang an dagegen. Und nu will er auch noch nach Amerika! Du mein Gott, was will er da? Da müssen sie scharf ran, un bei sieben Stunden in Stichsonne, da fällt er um. Erst heute früh haben sie hier einen vom Bau vorbeigebracht un war noch dazu ein Steinträger mit Schnurrbart und Soldatenmütze, was immer die Stärksten sind. Un nu solch armer Invalide. Graf, ich werd es schon machen un will gleich zu Wanda, die muß mir eine Geschichte zurechtlügen. Un wenn ich die habe, dann packen wir Stinen ein, nach Alt-Landsberg oder nach Bernau mit 's Storchnest oder nach Fürstenwalde. Sie will immer beistehn un helfen, und wir müssen ihr so was vorreden von Beistand un Hilfe.«
    Der Graf war erfreut, und so trennten sie sich.
     
Vierzehntes Kapitel
     
    Die Pittelkow, als der Graf fort war, warf sich in Staat, nahm ihren Umhang und ging in die Tieckstraße, um mit Wanda zu beraten, was zu tun und in welchem märkischen Neste Stine wohl am besten unterzubringen sei. Wanda, dessen entsann sie sich, hatte eine ältere, nach Teupitz hin an einen Schlächtermeister verheiratete Halbschwester; vielleicht wenn man sagte, daß da was Kleines angekommen und der Mann, samt seinen vielen Kindern, eines Beistands in der Wirtschaft bedürftig sei? »Ja, so muß es gehn. Un is erst wer in Teupitz, so kommt er so bald nich wieder weg. Und die Frau wird sie schon festhalten – so viel wird sie doch woll von Wandan haben, daß sie nich gleich lockerläßt. Und wenn jrade geschlachtet wird, kann Stine ja zusehn und hat en bißchen Zerstreuung.«
    In dieser Richtung gingen die Gedanken der Pittelkow, die, während sie diese Pläne machte, nicht ahnen konnte, daß ziemlich um eben diese Zeit bereits Entschlüsse gefaßt und Entscheidungen getroffen worden waren, die jeden weitern Klugheitsplan unnötig machten.
     
    Waldemar, als er den Onkel verlassen hatte, hatte seinen Weg erst bis Schloß Bellevue hin und von dort aus nach einem um ein paar hundert Schritte weiter flußabwärts gelegenen Sommerlokale genommen, das er für gewöhnlich an jedem Spätnachmittag, eh er zu Stine ging, aufzusuchen pflegte. Dort im Schatten alter Bäume niederzusitzen und zu sinnen und zu träumen war das, was er liebte. Wirt und Wirtin in diesem Lokale kannten ihn längst, ebenso war er Intimus der dort zahlreich ansässigen Spatzen, die, sobald er Platz genommen, den Tisch umhüpften und die Brocken und Krümel des eigens für sie bestellten Stück Kuchens aufzupicken pflegten. Das alles war heute geradeso wie sonst, und nur die ihre Köpfe neugierig zusammensteckenden Kellner beschäftigten sich augenscheinlich mit der Frage, was ihren regelmäßigen Spätnachmittagsgast heute schon zu so früher Stunde hierhergeführt haben könne. Denn es war erst zwei. Waldemar hatte seine Freude daran, diese kleine Neugier zu beobachten, und las aus den Mienen der Kellner den Gang ihrer Unterhaltung mit einer Sicherheit heraus, als ob er sie vom nächsten Baum her hätte belauschen können. Überhaupt entging ihm nichts, und wenn er eine Zeitlang die Qualmwolken aus dem gerade gegenüber gelegenen Borsigschen Eisenwerke hatte hervorquellen und nach der Jungfernheide hin abziehen sehen, so gab er seinem Blick mit einem Male wieder eine Seitwärtsrichtung und zählte dabei die Brückenpfeiler oder die Spreekähne, die von der Stadt her den Fluß herunterkamen. Er war ohne jede Spur besonderer Erregung und beschäftigte sich, was übrigens seinem Charakter entsprach, kaum noch mit dem Gespräche, das er eben erst mit dem Onkel gehabt hatte. Wenn er den Frieden nicht haben konnte, so war es schon viel für ihn, ihn seinerseits ehrlich und aufrichtig gewollt zu haben. Und das war ja der Fall. Aus diesem Bewußtsein erwuchs ihm etwas wie Trost und Ergebung, und wenn Ergebung auch nicht das absolut Beste, nicht der Friede selbst war, so war es doch das, was dem Frieden am nächsten kam.
    Er blieb wohl eine Stunde. Dann erst erhob er sich und ging auf den Ausgang zu. Von draußen her aber sah er noch einmal über den Staketzaun in den Garten zurück. Da war wieder die Musikestrade mit den
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