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Stimmen der Angst

Stimmen der Angst

Titel: Stimmen der Angst
Autoren: Dean R. Koontz
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das Blut zu achten, kniete Dusty neben seinem Bruder nieder und strich ihm über das Gesicht, berührte die geschlossenen Augen, tastete nach der Halsschlagader und rief mit einer Stimme, die so zerrissen war, wie Martie sie noch nie gehört hatte: »O Gott, einen Krankenwagen! Jemand soll einen Krankenwagen rufen, schnell!«
    Jennifer tauchte in der Tür zur Rezeptionskabine auf. »Ich habe schon angerufen. Sie kommen. Sie sind unterwegs.«
    Die Frau in Rosa stand am Fenster der Rezeption, auf dessen Sims sie zwei Pistolen gelegt hatte, eine davon die, welche Skeet dem toten Eric aus der Hand genommen hatte. »Jennifer, wäre es nicht besser, wenn Sie die Dinger an einem sicheren Ort verstauen, bis die Polizei hier ist? Sie haben doch die Polizei gerufen?«
    »Ja. Sie sind auch unterwegs.«
    Vorsichtig ging Jennifer in die Kabine, nahm die Pistolen an sich und legte sie auf ihren Schreibtisch.
    Vielleicht lag es daran, dass Skeet zu sterben drohte, vielleicht lag es auch an Ahrimans grausigem Gesicht und dem vielen Blut, aus welchem Grund auch immer, jedenfalls konnte Martie nicht klar genug denken, um zu begreifen, was hier vorgefallen war. Hatte Skeet Ahriman erschossen? Hatte Ahriman Skeet angeschossen? Wer hatte zuerst geschossen und wie oft? Aus der Lage der beiden Körper konnte sie auf kein Schauspiel schließen, das ihr vorstellbar erschien. Und die unheimliche Ruhe der Frau in Rosa, die den Eindruck machte, als würde sie täglich hautnah Schießereien miterleben, legte die Vermutung nah, dass sie irgendeine mysteriöse Rolle in dem Geschehen gespielt hatte.
    Die Frau stakste in die Ecke des Wartezimmers, die am wenigsten Blut abbekommen hatte, dann zog sie ein Mobiltelefon aus der Tasche und wählte eine Nummer.
    Noch weit weg, verzerrt durch die Entfernung und die geografische Beschaffenheit der Gegend, klang das schrille Sirenengeheul beängstigend und merkwürdig prähistorisch, nicht von Technik erzeugt, sondern fast lebendig, wie das Kreischen eines Pterodaktylus, der immer näher kam.
    Jennifer eilte zur Tür, öffnete sie und schob einen kleinen Gummikeil unter den Rand, damit sie nicht zufiel.
    »Helfen Sie mir, die Sessel auf den Flur hinauszutragen«, sagte sie zu Martie, »damit die Sanitäter Platz haben, wenn sie kommen.«
    Martie war froh, dass sie etwas zu tun hatte. Sie hatte das Gefühl, am bröckelnden Rand eines Abgrunds zu stehen. Indem sie Jennifer half, konnte sie wieder festen Boden unter den Füßen gewinnen.
    Die Frau in Rosa hielt ihr Telefon ein Stück vom Mund weg und sagte bewundernd: »Sie beeindrucken mich, junge Dame.«
    Mit einem schwer zu deutenden Blick sagte Jennifer: »Tja, ähem, danke.«
    Als alle Sessel und Beistelltische in den Korridor hinausgetragen waren, klang das vielstimmige Sirenengeheul schon sehr nah und verstummte dann nach und nach. Die Rettungskräfte mussten in den Aufzügen unterwegs sein.
    Die Frau in Rosa sagte in ihr Telefon: »Würden Sie bitte aufhören, dummes Zeug zu schwatzen, Kenneth? Für einen teuren Anwalt sind Sie wirklich ziemlich schwer von Begriff. Ich brauche den besten Strafverteidiger, und ich brauche ihn sofort. Jetzt fangen Sie sich und tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe.«
    Als sie ihr Gespräch beendet hatte, lächelte sie Martie zu.
    Dann zog sie eine Visitenkarte aus der Handtasche und reichte sie Jennifer. »Sie werden sich einen neuen Job suchen müssen, nehme ich an. Ich kann eine so tüchtige junge Frau wie Sie gebrauchen, wenn Sie interessiert sind.«
    Jennifer zögerte einen Moment, dann nahm sie die Karte.
    Im Blut kniend, strich Marties wundervoller Mann seinem Bruder immer wieder die Haare aus dem bleichen Gesicht und flüsterte ihm leise Worte zu, obwohl nichts darauf hindeutete, dass ihn der Junge hören konnte. Dusty sprach über alte Zeiten, über Dinge, die sie als Kinder zusammen getan hatten, Streiche, die sie ausgeheckt, Abenteuer, die sie zusammen erlebt hatten, Fluchtpläne, die sie geschmiedet, Träume, die sie gemeinsam geträumt hatten.
    Martie hörte eilige Laufschritte im Gang, die schweren Stiefel des Feuerwehrrettungsdienstes, und für einen winzigen Augenblick hatte sie das verrückte, wunderbare Gefühl, dass einer der Männer, die im nächsten Moment zur Tür hereinstürmen mussten, Strahlebob sein würde.

76. Kapitel
    Eine Zeit lang herrschte unvorstellbares Chaos. Zu viele fremde Gesichter und zu viele Menschen, die durcheinander redeten, Sanitäter und Polizisten, die eine kurze, aber lärmende
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