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Stille Wasser

Stille Wasser

Titel: Stille Wasser
Autoren: Laura Anne Gilman , Josepha Sherman
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unterdrückte Ängste.
    Stopp, ermahnte sie sich. Nicht darüber nachdenken.
    Nachdenken führt zu fixen Ideen, fixe Ideen führen zu schlechten Träumen und schlechte Träume über kurz oder lang direkt in die Klapsmühle.
    Stolz auf ihr zweifellos hervorragendes psychologisches Urteilsvermögen, tauschte Buffy ihr schweißnasses Nachthemd gegen ein frisches aus und kroch zurück unter die Bettdecke.
    Zum Schlafen war ihr allerdings jede Lust vergangen. Sie 7

    schaltete das Radio ein, nur um eine andere Stimme als die eigene zu hören, und wechselte von einem Sender zum nächsten, bis sie schließlich bei einer Nachrichtensendung innehielt.
    »... liegen Berichte vor, nach denen der Schaden, der durch das in der Roxanne entstandene Leck verursacht wurde, trotz dessen beachtlicher Größe geringer ist als zunächst angenommen. Wie der Pressesprecher der Gesellschaft erklärte, ist die Besatzung in der Lage, ein Austreten größerer Mengen Öl zu verhindern. Dessen ungeachtet wird von Umweltschützern gefordert, gegen die verantwortliche Reederei,
    Sea-Rac Shipping, ein Verfahren wegen Nichteinhaltung der Sicherheitsvorschriften einzuleiten.
    Außerdem stehen Rettungsmannschaften bereit, um alles Menschenmögliche zu tun, die dem Öl zum Opfer gefallenen und an Land gespülten Meeresbewohner und Seevögel vor einem qualvollen Ende zu bewahren. Ein Sprecher des Sierra Club äußerte sich hierzu...«
    Na großartig, dachte Buffy. Ich schlage mir die Nächte um die Ohren, um die Welt zu retten, und in der Zwischenzeit macht sich der Rest der Menschheit einen Heidenspaß daraus, sie in eine riesige Müllhalde zu verwandeln.

    Hinter ihnen tauchte träge die Sonne am Horizont auf und warf ein erstes zaghaftes Funkeln auf die Meeresoberfläche. Der schmale geschwungene Strandabschnitt hätte nicht einmal vor den Augen der hartgesottensten Sonnenanbeter Gnade gefunden. Von Wind und Wetter gezeichnete Felsbrocken, groß wie ausgewachsene Hunde, säumten diesen Streifen der Küste, überall lag zersplittertes und vermoderndes Treibholz herum, und vereinzelt bedeckten großflächige Haufen von vertrocknetem Seetang den Strand. Doch die Gestalten, die sich über den feuchtkalten Sand bewegten, etwa ein Dutzend an der 8

    Zahl, waren nicht hierher gekommen, um in der Sonne zu liegen oder zu surfen.
    Sie waren bereits seit mehreren Stunden unterwegs, allesamt gekleidet in knallgelbe Öljacken und Jeans. Einige von ihnen schleppten Bündel mit sich, andere ließen die Lichtkegel von Suchscheinwerfern über den Sand wandern, während sie, fröstelnd in der immer noch von nächtlichen Schatten beherrschten Morgendämmerung, den Weg von der felsgesäumten Straße hinunter zum Wasser zurücklegten.
    Die Arbeit war mühselig und zermürbend und Erfolgserlebnisse rar.
    »Ich hab einen!«
    Der Ruf erklang von weiter unten am Strand, und Willow Rosenberg rannte los, um zu Hilfe zu eilen; auch sie trug ein großes Bündel bei sich, an dem sie nun mit in Arbeitshandschuhen steckenden Fingern unbeholfen und hektisch herumzerrte. Noch im Laufen kramte sie schließlich einen dicken, trockenen Lappen hervor und reichte ihn dem Gefährten, als sie bei ihm angekommen war.
    Sie hoffte inständig, dass dies einer der seltenen Erfolgsmomente war.
    »Oh, das arme Ding!«, entfuhr es ihr, als sie dem im Sand knienden Helfer über die Schulter blickte. Vor ihm lag, zitternd und schwach, ein großer, spitzschnabeliger Vogel, eine Heringsmöwe, soweit Willow es beurteilen konnte. Das normalerweise weißlich graue Federkleid war mit einer zähen dunklen Masse überzogen, das traurige Ergebnis jenes Zwischenfalls, der sich in der vergangenen Nacht vor der Küste auf einem Öltanker abgespielt hatte und bei dem große Mengen an Rohöl ausgelaufen waren.
    Immerhin war der Vogel noch am Leben.
    »Glaubst du, er schafft es, Sean?«, fragte sie.
    »Ja, ich denke, wir bekommen ihn wieder hin«, beruhigte sie der Rettungshelfer. »Ich bring ihn erst mal zum Wagen«, fuhr 9

    er fort, während er die Möwe fachmännisch von groben Ölklumpen befreite und vorsichtig in eine Decke hüllte.
    »Schau, ob du noch mehr von ihnen finden kannst. Aber denk daran, du darfst sie auf keinen Fall anfassen. Ruf einfach und warte, bis ich komme.«
    »Alles klar«, erwiderte das rothaarige Mädchen und sah Sean, der mit seiner Öljacke und Baseballmütze einen ausnehmend tatkräftigen und souveränen Eindruck machte, dabei zu, wie er die Decke mitsamt dem Vogel vorsichtig in die
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