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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher
Autoren: Astrid Paprotta
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der alles bewachte.
    Stocker sprang auf. »Sollen wir Ihren Mann anrufen?«
    Katja schien zu überlegen, wer das war. »Nein«, sagte sie dann.
    Ich muß dir alles sagen.
    Wieder versuchte Ina aufzustehen, und wieder wurde sie von Stocker auf den Stuhl zurückgedrückt. »Sie müssen mir nicht zuhören«, sagte sie, »aber ich will Ihnen alles –« Sie hob die Arme und ließ sie wieder fallen.
    »Nein«, hörte sie Stocker murmeln.
    »Doch«, sagte sie. »Sie muß es doch wissen. Wissen, wie es gekommen ist.«
    Katja schob einen Stuhl zurück, den sie so drehte, daß es aussah, als sitze sie nicht richtig am Tisch, nicht bei ihnen, der Mörderin und dem Polizisten. Doch dann sah sie direkt zu ihr hin, sah sie an mit einem starren Blick, der wie eine Frage war, wie ein Schrei. Sie hatte rote Ränder unter den Augen, als hätte sie sich mit dem Lidstrich vertan und Buntstifte genommen.
    »Alles«, murmelte Ina, doch verhedderte sie sich immer wieder, es kam ihr vor, als rede sie immer nur im Kreis herum. Dorian war der Typ, der mit Nicole Mewes Streife fuhr, so hatte sie ihn kennengelernt und fand ihn ziemlich hübsch und ziemlich still. Dann war aus dem Kollegen einer geworden, dem sie anders begegnen mußte, als Ermittlerin, was sie nicht richtig auf die Reihe bekam, und als sie von seiner Mutter erfuhr, war sie von deren Leben nicht mehr losgekommen. Er hatte sie töten wollen.
    Konnte man es so erzählen? Im Kopf stand alles still. Katja sah sie an, und einen Moment lang konnte sie hinter diesen grauen Augen etwas anderes sehen, etwas, das einmal leuchten konnte und brennen. So war das doch, wenn etwas zerbrochen war, etwas Schönes, und eine einzelne Scherbe sah so aus, als wär sie etwas Eigenes, dann wollte man sie aufheben. Sie hatte das mit ihrer kaputten Lieblingstasse so gemacht, irgendwo lag die eine Scherbe noch zu Hause herum. »Glück«, hatte Katja geantwortet, als ein Reporter sie fragte: »Was ist Ihr Ziel?« Das war einfach und schön, und vielleicht war es richtig, sich an die andere Katja zu erinnern, in deren Augen immer ein Lächeln lag, weil dann ein Teil ihres Lebens unvergänglich war. Dori, weißt du, wie viele Schwalben es gibt? Damals war ihre Stimme heller und ihre Bewegungen so leicht gewesen. Das ist Dreck, rief Dorian viele Jahre später, als er ihr den Salat zurückgab, da vorne am Tresen, und sie sagte: Dann nimm Käsetoast. Wie ruhig sie mit ihm gewesen war, hatten sie das übersehen? Weil sie ihn schützen wollte, ihn bewahren vor der Raserei.
    »Dorian hat es nicht gewußt«, murmelte Ina. »So war das doch, oder? Daß Sie seine Mutter sind, das hat er nicht –«
    »Hören Sie auf mit dem Quatsch«, sagte Stocker. Er hatte inzwischen alle Bierdeckel zerrissen.
    Katja legte die Hände in den Schoß und sagte: »Er wollte es nicht wissen.« Sie sagte es zu niemandem hier. »Es war sein Schutz.«
    Stocker nickte, und man sah, daß er nichts verstand.
    Katjas Hände zitterten leicht. »Er hätte mit der Wahrheit nicht überlebt. Robin war anders, Robin hat mich so gehaßt, das war vielleicht besser. Guck doch hin, hat er zu Dorian gesagt, das ist unsere Mutter, diese Hure da. Aber das durfte er ihm nicht sagen.«
    Stocker räusperte sich und legte die Fingerspitzen aneinander.
    Ruhig sah sie ihn an. »Dorian hat sie sich anders vorgestellt.«
    Stocker fuhr sich heftig durch das kurzgeschorene Haar, als hockte da eine Laus, die er weghaben wollte. »Warum haben Sie es ihm nicht gesagt?« murmelte er.
    »Weil ich ihn dann verloren hätte.«
    »Sie müssen das jetzt nicht sagen«, begann Kissel am Tresen, und als sie alle, bis auf Katja, zu ihm herübersahen, hörte er wieder auf. »Hier ist das gewesen?« fragte er nach einer Weile. »Robin meine ich, Robin ist hier gestorben?«
    »Ja«, sagte Katja. »Da am Tresen hat er gesessen, da, neben Ihnen.«
    »Und Dorian war –«
    »Dorian saß hier.« Sie machte eine Geste, die den Tisch einschloß, an dem sie saßen. »Robbi hat so geschrien, hat Dorian angeschrien, er hat so furchtbar geschrien.«
    »Man müßte dann sagen, nicht zurechnungsfähig«, murmelte Kissel, »eher Totschlag. Jetzt wollte er Sie –« Er kratzte sich. »Warum?« fragte er dann.
    »Ich weiß nicht.« Katjas Stimme klang gleichgültig. »Wegen dem Sterntaucher? Ich muß ihm etwas gesagt haben, das ihn erinnert hat. Es ging ihm sehr schlecht die ganze Zeit nach Robins Tod. Vielleicht hat er ihn schreien gehört, manchmal hat er sich die Ohren zugehalten, als ob er
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