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Sterntaucher

Sterntaucher

Titel: Sterntaucher
Autoren: Astrid Paprotta
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was hören würde. Robbi war so, ich meine – Robbi hat immer gern geschrien.« Sie sah niemanden an, sprach zur Decke. »Früher, wenn er im Laden sein Schokobrötchen haben wollte, hat er schon an der Tür angefangen zu kreischen, da ist sie gleich zu ihm hingerannt, an den ganzen Leuten vorbei, und hat es ihm gegeben, nur damit er still ist.«
    »Wer?« Stockers Stimme war fast ein Flüstern.
    »Na, diese Frau da –«
    »Frau Manz«, sagte Ina.
    »Ja«, sagte Katja und sah sie nicht an.
    Stocker sah gequält aus. »Warum haben Sie uns einen falschen Namen genannt, warum haben Sie das alles verschwiegen? Sie haben Dorian ein falsches Alibi gegeben.« Er seufzte. »Das ist alles so unglücklich gelaufen.«
    Katja schüttelte leicht den Kopf. »Das ist kein falscher Name. Mein Mann, den kenne ich jetzt über zwanzig Jahre, der hat mich immer so genannt, meine Eltern auch. Nur ich selber hab früher den zweiten Namen als ersten genommen. Aber man will nicht immer an alles erinnert werden, denn es hat sich sehr geändert, nicht? Ich wollte nicht, daß mich jemand kennt – von früher. Es war mir auch ganz recht so, wegen Dorian, da konnte er mich anreden, falls Sie das verstehen. Es wäre nicht gut für ihn gewesen, wenn ich Ihnen das alles gesagt hätte, dann hätten Sie ihn zwischengehabt, hätten ihn mir weggenommen. Das haben Sie ja nun doch getan. Ich habe ihm auch kein falsches Alibi gegeben, Sie haben mich immer gefragt, ob er hier war, als Robin starb.«
    »Sie wollten ihn schützen«, fragte Stocker, »obwohl Sie wußten, daß er krank ist?«
    »Er war da«, sagte sie. »Er hat mich besucht, wir haben geredet. Er hat mir von seinem Leben erzählt. Manchmal ist auch Robin gekommen, das war – sie waren beide da. Ich hab ja vor zehn Jahren nicht gedacht, daß ich sie je wiedersehen werde, und dann waren sie da, alle beide. Ich meine, ich hab rübergeguckt und hab sie beide da –« Sie stand auf und sah im Raum herum, als müßte sie sich im Dunkeln orientieren.
    »Frau Kammer?« Kissels Stimme war leise und tastend. »Das heißt, Frau, ehm –«
    »Egal«, sagte sie.
    »Robin hat Sie erpreßt, ist das richtig? Warum?«
    »Na ja, er wollte Geld«, sagte sie. »Er kam nicht hin. Das war nur so Gerede, er wußte doch nicht, wie man das macht. Er hat mein Zimmer durchsucht und zwei Videos gefunden.«
    »Ich kenne sie«, sagte Kissel.
    Sie nickte. »Ich habe sie mitgenommen, als ich von Kemper weg bin, als Druckmittel, damit er mich in Ruhe läßt und weil ich nicht wollte, daß jemand das sieht. Robbi sagte, er geht zur Polizei damit, wenn ich ihm nicht – ich weiß nicht, paar hundert oder tausend Mark gebe, die Summe änderte er dauernd. Ich konnte ihm aber nichts geben, da brauchte er gar kein Druckmittel, ich konnte es nicht, es war ja nichts da.« Sie lächelte leicht wie eine Mutter, die sich an ein kleines Malheur ihrer Kinder erinnert. »Er hat es immer wieder versucht – der Zwerg.«
    »Wer hat Kemper getötet?« fragte Kissel.
    »Ich weiß nicht – ist er tot?« Sie ging an ihm vorbei. »Wo wird Dorian begraben? Kann ich das bestimmen?«
    »Natürlich«, murmelte er.
    »Ich möchte, daß er bei Robin liegt.«
    »Natürlich«, sagte er erneut. »Wir hätten da auch noch die Geschichte mit dem Herrn Belloff. Aber das machen wir später.«
    »Wer ist das?«
    »Na ja, der sitzt jetzt im Rollstuhl.« Kissel guckte auf den Boden. »Da sind Sie ein bißchen zu schnell gefahren damals.«
    »Ach so«, sagte sie nur.
    Geh nicht. Wenn du jetzt gehst, bist du ganz allein. Hör mir zu. Ina spürte, wie etwas in ihrer Hand zerbrach, das leere Glas vielleicht, das die ganze Zeit da stand und niemandem gehörte. Sie spürte Stockers festen Griff an ihrem Handgelenk, doch sie sah nicht hin, weil es nicht schmerzte und nur etwas Warmes über ihre Handfläche lief. »Ich wollte ihn nicht –« Sie setzte von neuem an, probierte das Wort, aber es kam nicht heraus.
    Katja verzog die Lippen, als hätte sie etwas Widerwärtiges im Mund. Sie sah Stocker an, als sie leise sagte: »Sie hat dreimal auf ihn geschossen, aber sie wollte nicht.«
    Er sollte doch nur weggehen da. Er sollte sie in Ruhe lassen.
     
    Sie saß neben Stocker im Wagen, es war still. Nur einmal, vor einer Ampel, flüsterte er: »So ein elender Mist.« Kissel fuhr hinter ihnen. Er war ihrem Blick ausgewichen, als sie die Kneipe verließen, hatte zu Stocker gesagt: »Ich fahr mit ihrem Wagen«, als sei sie gar nicht da. »Die Schlüssel«, murmelte er
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