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Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher
Autoren: Stanislaw Lem
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sie die Schlüssel zum Festschrauben der Muttern auf beiden Seiten der Steuerung gleichzeitig halten. Den leeren Skaphander entdeckte ich in der Druckkammer, hinter der Klappe. Wie eine Reliquie trug ich ihn in das Innere des Schiffs, während ich im Herzen unsägliche Dankbarkeit für diese waghalsigen Jungen empfand, die ich vor so langer Zeit gewesen war. So endete dieses wohl eigenartigste meiner Abenteuer. Ich erreichte glücklich das Ziel meiner Reise dank der Intelligenz und dem Mut, die ich in Gestalt zweier Kinder offenbart hatte.
      Man erzählte sich später, ich hätte mir diese Geschichte ausgedacht, und die Boshafteren gingen so weit, mir anzudichten, ich hätte eine Schwäche für Alkohol, die ich auf der Erde sorgsam verheimlichte, der ich mich jedoch auf meinen langjährigen Weltraumreisen hemmungslos hingäbe. Gott allein weiß, was alles für Gerüchte hierüber verbreitet wurden – aber so sind nun mal die Menschen: Sie glauben eher den unwahrscheinlichsten Unfug als authentische Tatsachen, die ich mir hier darzulegen erlaubt habe.

    ACHTE REISE

    So war es nun doch geschehen. Ich war Delegierter der Erde bei der Organisation der Vereinten Planeten oder, genauer, Kandidat, obwohl auch das nicht ganz zutraf, denn die Vollversammlung sollte nicht meine Kandidatur, sondern die der gesamten Erdbevölkerung beraten.
      In meinem ganzen Leben hatte ich nicht solch ein Lampenfieber gehabt. Die ausgetrocknete Zunge schlug wie ein Pflock gegen die Zähne, und als ich aus dem Astrobus stieg und über den roten Teppich ging, wußte ich nicht, ob der so weich unter mir nachgab oder ob es meine Knie waren. Es war mit Ansprachen zu rechnen, und ich hätte nicht ein Wort hervorbringen können, die Kehle war mir wie ausgedorrt. Als ich vor Aufregung nun eine große leuchtende Maschine mit verchromtem Ausschank und kleinen Schlitzen für die Münzen erblickte, warf ich so schnell wie möglich eine hinein und hielt den Becher der Thermosflasche, den ich vorsorglich bei mir führte, unter den Hahn. Das war der erste interplanetare diplomatische Fauxpas der Menschheit auf dem Parkett der Milchstraße, denn der scheinbare Automat für Sodawasser erwies sich als der Stellvertreter des tarrakanischen Delegationsleiters in voller Gala. Zum Glück waren es gerade die Tarrakaner, die unsere Kandidatur auf der Vollversammlung befürworten wollten. Ich erfuhr das jedoch erst später, und so nahm ich den Umstand, daß jener hohe Diplomat mir die Schuhe bespie, für ein böses Zeichen, fälschlicherweise, denn das war nur eine aromatische Ausscheidung seiner Begrüßungsdrüsen. Ich begriff das, nachdem ich eine informativ-translative Tablette geschluckt hatte, die mir von einem wohlgesinnten Angestellten der OVP gereicht wurde. Sogleich verwandelten sich die klirrenden Laute ringsum in verständliche Worte und das Rechteck aus Aluminiumkegeln am Ende des Plüschteppichs in eine halbe Ehrenkompanie. Der zu meiner Begrüßung erschienene Tarrakaner, der mich bis dahin an einen sehr großen Striezel erinnert hatte, kam mir auf einmal wie ein alter Bekannter mit einem völlig durchschnittlichen Äußeren vor. Nur das Lampenfieber wich nicht. Ein kleiner Wagen rollte heran, der eigens zum Transport solch zweibeiniger Wesen wie ich konstruiert worden war. Der mich begleitende Tarrakaner zwängte sich unter großen Mühen hinein und sagte, während er an meiner Linken und zugleich an meiner Rechten Platz nahm: »Verehrter Erdbewohner, ich muß Sie davon in Kenntnis setzen, daß eine geringfügige Komplikation im Ablauf eingetreten ist. Sie hängt damit zusammen, daß der eigentliche Vorsitzende unserer Delegation, der als Experte für Erdfragen am meisten dazu berufen wäre, Ihre Kandidatur auf die Tagesordnung zu bringen, leider gestern abend in die Hauptstadt zurückbeordert wurde und ich ihn vertreten soll. Ist Ihnen das Protokoll bekannt…?«
      »Nein… Ich hatte noch keine Gelegenheit, es einzusehen«, stammelte ich, während ich vergebens versuchte, es mir bequem zu machen, aber der Sitz war nicht ausreichend für die Bedürfnisse des menschlichen Körpers eingerichtet. Er war einfach eine Grube von fast einem halben Meter Tiefe, so daß ich bei Schlaglöchern mit den Knien gegen die Stirn stieß.
      »Nun, da ist nichts zu machen«, sagte der Tarrakaner. Sein faltiges, in kantigen Formen von metallischem Glanz zurechtgebügeltes Gewand, das ich vorher für einen Ausschank gehalten hatte, gab einen leisen Ton von
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