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Sternenzitadelle

Sternenzitadelle

Titel: Sternenzitadelle
Autoren: P Bordage
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Gruft der Kastraten – einem geheimen Raum, wo die Vikare ihre als Opfergaben gedachten Sexualorgane in Luftkugeln aufbewahrten – hatten den Ersten Sekretär in dieser Vermutung bestätigt.
    Er war nicht der Einzige, der Zweifel am Ausgang dieser Wahl hegte. In weniger als drei Jahren hatte das Sondergericht, das sich jeweils zur Hälfte aus Kardinälen und Vikaren zusammensetzte, neun Prozesse zur Annullierung der Wahl des Muffis angestrengt.
    Lange hatte Adaman Mourall gezögert, die Frage zu stellen, die ihm auf den Lippen brannte. Doch eines Abends, als die beiden Marquisatiner allein im kleinen Salon des Muffis saßen, hatte er sich ein Herz gefasst.
    »Warum liefern Euch die Kardinäle einen derart erbitterten Kampf, Eure Heiligkeit?«
    Barrofill XXV. hatte nur müde gelächelt. Seine dunklen Augen waren von tiefen Schatten umgeben, die deutlich hervortraten, weil er sich entgegen der höfischen Regeln nicht schminkte. Er war deswegen schon zur ständigen Zielscheibe des Spotts von Höflingen und Kardinälen geworden.
    »Weil ich kein Syracuser bin und genau wie Ihr die Autopsychische Selbstkontrolle nur schlecht beherrsche, mein lieber Adaman.«

    »Verzeiht mir, Eure Heiligkeit, aber ich verstehe nicht, was die Feindschaft der Kardinäle mit der APS zu tun hat …«
    Der Muffi hatte sich von seinem in der Luft schwebenden Sitz erhoben, war zu dem großen Fenster gegangen, das einen herrlichen Ausblick auf Romantigua – den historischen Stadtkern Venicias – bot, und hatte sich lange in die Betrachtung des indigofarbenen Flusses Tiber Augustus versenkt. Ihm schien, als leuchteten am nachtblauen Himmel jeden Abend weniger Sterne.
    »Welcher Zusammenhang da besteht, wollt Ihr wissen?«, hatte er resigniert gesagt. »Selbst wenn Ihr Euer Leben lang versucht, Eure Emotionen zu kontrollieren, so werdet Ihr doch nie zu einem Syracuser werden. Auch wenn ich der Unfehlbare Hirte bin, das Oberhaupt der Kirche des Kreuzes, es nützt mir nichts. Ich werde immer der Marquisatole bleiben, der Eindringling, ein ungebetener Gast. Und ebenso wie das Immunsystem im menschlichen Körper einen Virus bekämpft, versuchen die Syracuser, mich zu eliminieren, um einen der Ihren auf den Thron des Pontifex zu setzen.«
    »Und warum unterstützen die Vikare Euch dann? Denn jedes Mal, wenn ein Amtsenthebungsverfahren gegen Euch angestrengt wird, machen sie von ihrem Vetorecht Gebrauch.«
    »Mein lieber Adaman, Ihr dürft nie vergessen, dass diese Männer sich haben kastrieren lassen, um der Fleischeslust zu entsagen, damit sie sich mit Körper und Seele ganz ihrer schwierigen Aufgabe widmen können. Sie sind also Fanatiker, die eifersüchtig über ihre Privilegien wachen und sich um nichts anderes als die Verkündigung des Wahren Wortes unserer Heiligen Kirche kümmern. Sie sind wohl
davon überzeugt, dass ein Paritole weniger als ein Syracuser für die verderblichen Einflüsse des höfischen Lebens empfänglich ist.«
    Über die geheimen Machenschaften, mit deren Hilfe er zum Oberhaupt der Kirche aufgestiegen war, sprach der Muffi nicht. Einerseits weil das Gehirn seines jungen Mitplanetariers ständig von den Scaythen ausgeforscht wurde und sie dort nur erfahren durften, was er sie wissen lassen wollte, und andererseits weil er jene Erinnerungslücken, die durch das Auslöschungsprogramm der Scaythen entstanden waren – eine Konsequenz seiner Beziehung zu dem Vikariat –, wieder auffüllen wollte.
    Von ihren Gedankenhütern gefolgt – sind sie Hüter, Inquisitoren, mentale Auslöscher oder Mörder, fragte sich Adaman Mourall manchmal – gingen die beiden Marquisatiner über einen Gang, dessen Wände und gewölbte Decke mit Optalumal ausgekleidet waren, einer undurchdringlichen Metalllegierung. Diese im Prinzip perfekte Schutzvorrichtung gegen Strahlen und Wellen aller Art war von dem Vorgänger des jetzt amtierenden Muffis, Barrofill XXIV. installiert worden, dem der kaiserliche Hof post mortem die schmeichelhaften Titel »Tyrann Venicias«, »Palastmonster« und »Komodoteufel« verliehen hatte.
    Paradoxerweise fühlte sich Adaman Mourall in diesen nur spärlich durch ein paar schwebende Lichtkugeln beleuchteten unterirdischen Gängen, die er verabscheute, in Sicherheit – es sei denn, einer seiner Gedankenhüter wäre ein im Dienst eines Kardinals, einer syracusischen Adelsfamilie, einer Gilde oder des Imperators Menati stehender Gedankenauslöscher. Doch diese Möglichkeit schloss er gleich wieder aus, als er an
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