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Sternenteufel

Sternenteufel

Titel: Sternenteufel
Autoren: André Norton
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zuvor versucht, aber wenn man von einer neuen Art von Gefahr bedroht ist, muß man sich auch etwas Ungewöhnliches zur Verteidigung einfallen lassen.
    Langsam öffnete sie die Augen. In der Luft über ihr, wo der Totenschädel sich befunden hatte, entstand eine Bewegung, doch von ihr gelenkt. So wie ein Künstler mit farbigem Ton eine Vision, die er zuvor nur mit seinem Geist gesehen hatte, auf eine Mauer malen konnte, so erschuf Elossa nun die Form ihrer Illusion in der Luft.
    Der Felsblock entstand, auf dem sie den Raski gefunden hatte. Mit jedem ihrer Atemzüge gewann er an Festigkeit. Auf ihn legte ihre gut geschulte Vorstellungskraft nun den bewußtlosen Raski mit klaffender, blutströmende Wunde. Dann brachte sie sich selbst ins Bild und wiederholte alles, was sie getan hatte, um sein Leben zu retten. Es war ein klares und unmißverständliches Bild.
    Und während das Mädchen in dieser Vision sich mit dem Verwundeten beschäftigte, strahlte Elossa all die Emotionen aus, die eine solche Heilerin benutzt – Mitgefühl, Barmherzigkeit und der Wunsch für ausreichende Kraft und Geschicklichkeit, um helfen zu können. Das waren alles dem brennenden Haß entgegengesetzte Gefühle. In dem Geistbild strengte sie sich an, ein Leben zu retten, nicht es zu zerstören.
    Und so, wie es immer der Fall ist, nährte Gefühl Gefühl. Elossa drehte den Kopf, um in die Ecke schauen zu können, wo der Raski sich befinden mußte. Das Mädchen in der Vision erhob sich – die Hand ruhte auf ihrer Brust, dann öffneten die Arme sich zu einer weiten Gebärde des Gebens. Mit den ausgestreckten Händen dieser Illusion versuchte Elossa Sympathie und guten Willen zu dem zu schicken, der in der Dunkelheit kauerte.
     

 
6.
     
    Das Mädchen fuhr mit aller Kraft fort, diesen Heilungswunsch und den Ausdruck guten Willens auszustrahlen. Als Antwort erreichte sie jedoch lediglich die Flamme wahnsinniger Wut, als würde sie neu genährt. Elossa konnte die Vision nicht länger aufrechthalten. Sie erlosch wie eine Kerze im Wind. Aber die Gefühle, die dazu gehört hatten, schickte sie weiter aus.
    Freund – Hilfe – Frieden – Schmerzlosigkeit. Sie konzentrierte sich nur noch darauf, diese Botschaft zu senden.
    Über ihr war nur schwach erhellte Luft, ohne jegliche Illusion – doch da tauchte ein Kopf auf. Er formte sich nicht allmählich wie der Totenschädel der ersten Vision. Leider war der Lampenschein so schwach, daß sie lediglich ein halbes Gesicht sehen konnte, und das war zu einer Grimasse der Agonie verzerrt.
    Es war keine Illusion. Es war der Raski, der sich zu ihr geschleppt hatte und nun zu ihr hinunterschaute. Sie sah, wie sein Mund sich mühsam bewegte, und das eine Auge, das stumpf starrte.
    Frieden – Frieden …
    Eine Hand kam in ihr Blickfeld. Ihre Finger waren wie Klauen gekrümmt, als wollten sie ihr das Fleisch von den Knochen reißen.
    Frieden – zwischen uns ist Frieden …
    Die Hand zitterte, die Klauenfinger kamen herab, die Nägel kratzten nur schwach über ihren Kittel. Wenig Menschliches war an dem Gesicht. Elossa wollte sondieren, doch dann überlegte sie es sich. Das, wovon dieser Raski besessen war, war wachsam. Einen Sieg auf seiner Ebene erringen zu wollen, entbehrte jeder Hoffnung. Nein, sie mußte sich an ihre eigenen, möglicherweise nicht sehr wirkungsvolle Art des Gegenangriffs halten.
    Frieden – Frieden zwischen uns, Mann der Raski. Von mir hast du nichts zu befürchten – ich habe deine Wunde geheilt, dir vielleicht das Leben gerettet. Jetzt ist Frieden zwischen dir und mir – Frieden!
    Seine Hand erschlaffte, fiel kraftlos auf ihre Brust. Eine weitere Form des Kontakts. Das würde ihre Gedankenverbindung verstärken. Jetzt neigte sein Kopf sich näher ins Licht. Das schreckliche Wahnsinnsgrinsen, das seine Lippen verzerrt hatte, begann zu verschwinden. Das stumpfe Starren des einen Auges, das sie sehen konnte, veränderte sich sichtlich. Tief in ihm, dessen war sie sicher, zeichnete sich Intelligenz ab.
    Elossa sammelte ihre ganze Kraft zu einem letzten Angriff auf das Ding, von dem er besessen war.
    Frieden! Obgleich das Wort nur ein Gedanke war, verfügte es über die Kraft eines Schreis.
    Der Kopf des Raski zuckte wie von einem Schlag ins Gesicht zurück. Das Auge schloß sich, die Züge erschlafften völlig, als er auf sie herabsank. Sein Gewicht preßte sich schmerzhaft gegen den Stein, auf dem sie lag.
    Jetzt versuchte Elossa eine Sondierung. Die Wut war aus dem Raski gewichen oder
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