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Sternenschimmer

Sternenschimmer

Titel: Sternenschimmer
Autoren: Kim Winter
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tatsächlich einen Moment überlegt, ob du das Schreiben hast.« Er strich sich mit der vollen Hand das wehende Haar aus dem Gesicht. »Aber dann habe ich diese Idee sofort verworfen, weil sie mir so absurd vorkam. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass du so etwas getan haben könntest. Nicht du.«
    Ich kratzte mich am Genick und tat so, als würde ich mich auf den Weg konzentrieren.
    »Und irgendwie verstehe ich es noch immer nicht so ganz«, fuhr er fort. »Eben hast du mich noch überreden wollen, nach Loduun zurückzugehen, weil du davon überzeugt warst, dass es das Beste für mich ist, andererseits unterschlägst du aber meine Post, die mich genau dazu auffordert.«
    Ich las einen Stein auf und warf ihn ins Wasser. »Das eine hab ich gemacht, weil ich Zeit herausschinden wollte, wobei ich an mich gedacht habe. Meinen Rat, nach Loduun zurückzugehen, hab ich dir gegeben, weil ich an dich dachte.«
    Er verstärkte das Strahlen seiner Augen. »Deshalb wolltest du nicht, dass ich es anspreche. Du hattest Angst, mein Glück könnte dir, sobald die Entscheidung ansteht, wichtiger sein als dein eigenes.«
    »Und dann hätte ich dich verloren«, sagte ich.
    Ein verblüffter Ausdruck trat in sein Gesicht. »Ist das irdisch, oder …«, es war, als müsste er nach den passenden Worten suchen, »… ist das Mia?«
    »Das ist Liebe, Iason«, sagte ich leise.
    Wir erreichten eine alte Seebrücke. Iason kletterte auf den Steg und reichte mir die Hand, um mir hinaufzuhelfen. Zusammen gingen wir auf das Meer hinaus. Am Ende ließen wir uns auf den Holzplanken nieder und blickten in die Ferne, während eine leichte Brise um unsere Gesichter strich.
    »Weißt du, Mia, ich vermisse Loduun, das stimmt. Aber dort oben wartet nichts auf mich als Erinnerung und Schmerz.«
    Ich konnte kaum atmen, so schwer legten sich seine Worte auf meine Lungen. Meine Gedanken wanderten zum Bunker zurück, ich dachte an Lenas leere Augen, als wir Tom gefunden hatten … an Greta … und daran, wie es war, als ich glaubte, Iason verloren zu haben. »Dunkle Erinnerungen, die hast du auf der Erde auch.«
    »Aber hier bist du.« Er legte den Arm um mich. »Gemeinsam schaffen wir das.«
    Ich vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge und spürte die schweren Schluchzer, die wie versteinert in meiner Brust feststeckten. »Ich träume davon. Jede Nacht. Es … es will einfach nicht aus mir heraus.«
    »Ich weiß, mein Stern. Der Schmerz sitzt so tief. Du denkst, du kannst ihn nicht bezwingen, jetzt und niemals mehr.« Seinblauer Schein umgab uns wie eine glitzernde Hülle aus Phosphor. »Aber glaub mir, irgendwann, irgendwann lässt es nach.«
    »Nie hätte ich gedacht, dass Böses so böse ist.«
    »Du meinst, dass dir jemand absichtlich wehtun wollte?«
    Ich nickte schniefend und richtete mich etwas auf. »Aber viel schlimmer war, dass sie euch wehtun wollten.«
    »Das kenne ich. Mir ging es so, als unser Clan angegriffen wurde.«
    Ich berührte seine Wange. »Du hast mir nie davon erzählt.«
    Er schwieg viele Herzschläge lang und sah zu den Sternen. »Sie kamen nachts und völlig unerwartet«, sagte er dann. »Uns Erwachsene haben sie abgeschlachtet, als hätte unser Leben keinerlei Wert. – Die Kinder, die noch nicht sleiten konnten, trieben sie zusammen, um sie mitzunehmen. Wir schützten sie mit dem Einzigen, was wir diesen Mördern in den Weg stellen konnten, uns selbst. Doch gegen ihre Waffen waren wir machtlos. Wir wussten nicht mal, mit was sie uns beschossen und viele in Stücke rissen.« Er schluckte, bevor er leise fortfuhr. »Mein Clan ist in die Wälder geflohen, oder besser gesagt, die wenigen, die überlebten. Und nachdem sie bei uns gewesen waren, griffen sie die anderen Clans an. – In jener Nacht haben sie Hope mitgenommen.« Jetzt sah er wieder zu mir hin. »Wenn man so etwas zum ersten Mal erlebt, ist man lange Zeit wie gelähmt.«
    »Du tust gerade so, als könnte man sich daran … gewöhnen!«
    Iasons Blick verweilte auf meinem Gesicht. »Nein, man gewöhnt sich nie daran, aber beim nächsten Mal ist man auch nicht mehr ganz so unvorbereitet.«
    Ich nickte wieder. Sagen konnte ich nichts.
    Erst viele stille Atemzüge später fragte ich: »Lässt dieses Brennen in einem irgendwann nach, oder bleibt das so?«
    Er schob mir auf eine Weise eine Strähne hinters Ohr, die alles in mir berührte.
    »Wie alt bist du heute, Mia?«
    »Siebzehn«, sagte ich.
    »Und wie alt warst du, als es passierte?«
    Ich war irritiert.
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