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Sternenschimmer

Sternenschimmer

Titel: Sternenschimmer
Autoren: Kim Winter
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Hand und zog mich in den Flur hinaus. »Komm mit.«
    »Wo willst du denn …?«
    »Wenn wir schon Abschied nehmen müssen, dann lass uns dafür zum Strand gehen. Dort, wo alles angefangen hat.«
    »Wie? – Jetzt?«
    »Ja, jetzt.« Auf dem Weg die Treppe hinab, zückte er sein iCommplete und rief ein Flugschiff.

39

    D as Taxi setzte uns am westlichen Stadtrand ab. Von dort führte ein schmaler Pfad zu dem Strandabschnitt, an den Iason mich einst geführt hatte, um gemeinsam mit mir den Schock zu überwinden. Ein Weg, um Frieden zu schließen. Ein Weg, um Abschied zu nehmen.
    Bei dem Gang durch die Dünen wurde ich immer schweigsamer. In das blasse Mondlicht getaucht, streckte ich den Arm aus und ließ das Dünengras mit jedem Schritt durch meine Finger gleiten. Iason verstärkte das Strahlen seiner Augen nur, wenn es nötig war, vereinzelte Kuhlen im Sand zu beleuchten, in die ich sonst hineingetreten wäre, weil ich sie mit meinen irdischen Augen nicht sehen konnte.
    Was ich fühlte? Besser, was ich noch spürte. Denn da, wo meine Gefühle saßen, war ein riesengroßes Loch. Ich wusste, dass es richtig so war. Iason konnte nicht hierbleiben. Und so friedlich, wie seine Augen schimmerten, ging es ihm jetzt endlich gut mit der Entscheidung. Trotzdem schrie alles in mir, wollte ihn bitten, bei mir zu bleiben. Abschied. Was für ein grausames Wort.
    Ich hörte das Rauschen der Wellen, ehe ich sie sah. Leise und dennoch mächtig brachen sie sich am Riff. Wenig später erkannte ich die weißen Schaumkronen, die auf dem Wasser tanzten. Wir kamen ihnen immer näher, jeder für sich und doch gemeinsam.
    »Wann wirst du gehen?«, fragte ich leise.
    »Ich weiß es nicht genau. Gleich morgen werde ich einen Antragstellen und mit Bert sprechen, denn auch für die Kinder ist diese Situation untragbar.«
    »Die Kinder auch?« Ich hatte nicht beabsichtigt, ihn so weit zu treiben.
    Er nickte. »Jetzt ist Schluss mit dem Versteckspiel. Wir müssen endlich dort sein, wo wir hingehören.«
    »Aber …«
    Er blieb stehen, legte den Kopf schief und sah mich mit seinem fremden außerirdischen Blick an, geheimnisvoll und auf eine Weise, die unwiderstehlich war. »Begleitest du mich zu meiner Abschlussfeier? Ich komme dann nächstes Jahr auch zu deiner.«
    »Wie … was?«, fragte ich verdutzt.
    »Ich werde mich für die kommende Abschlussprüfung in zwei Wochen anmelden. Und auch die Kinder sollten zwei oder drei Klassen überspringen. Sie langweilen sich sonst in der Schule noch besinnungslos. Wir müssen endlich zeigen, wer wir sind. Und ich werde jetzt damit beginnen, hier mein Leben aufzubauen.«
    Er legte die Hände an mein Gesicht und beugte sich vor. »Was ich damit meine, ist …« Mir kamen die Tränen, so sanft war seine Stimme. »Ich werde nirgendwo hingehen. Nicht ohne dich. Gibt es irgendeine Möglichkeit, das in deinen sturen Schädel zu kriegen, bevor du dich gegen uns entscheidest?«
    Ich kam kaum zum Nicken, weil ich überwältigt lachen musste und gleichzeitig ein Schluchzen unterdrückte.
    Sein Blick wurde ganz weich. »Ist das eine Antwort?«
    »Ja … ich meine nein, natürlich will ich mit dir zusammen sein, aber …« Und dann traf es mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ich konnte kaum fassen, was ich gerade dachte. »Du glaubst an eine gemeinsame Zukunft?«
    Er lächelte, und das Meer begann sich um mich herum zu drehen. »Wenn ich das nicht täte, hätte ich mich nie auf uns eingelassen.«
    »Iason, das ist Wahnsinn. Wo sollen wir denn leben?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete er. »Scheinbar gehören wir zueinander, aber nirgendwo hin.«
    Ich seufzte. »Das ist das Verrückteste und Wahrste, was ich seit Langem gehört habe.«
    Er schloss mich in die Arme. »Wir bleiben jetzt erst einmal hier. Und dann sehen wir weiter.«
    »Es wird schwer werden.«
    »Höllisch schwer.«
    Ich löste mich von ihm, um meinen Bedenken das nötige Gewicht zu verleihen. »Es wird dich zerschneiden. Ich sehe doch, wie sehr du dich nach …«
    Da lag auch schon sein Finger an meinem Mund. »Ich habe mich entschieden.«
    Ich wollte etwas erwidern.
    »Ganz und gar entschieden«, sagte Iason.
    Viele Atemzüge lang rangen unserer Blicke gegeneinander an.
    »Kann ich ihn jetzt wieder runternehmen, den Finger?«
    Ich nickte, sagen durfte ich ja nichts. Also lauschte ich dem unsäglichen Glücksgefühl, das in mir auf und ab hüpfte.
    Er führte mich weiter den Strand entlang.
    »Weißt du, als ich die Mahnung bekam, habe ich
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