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Sternenschimmer

Sternenschimmer

Titel: Sternenschimmer
Autoren: Kim Winter
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verteidigen, und vielleicht war dies der einzige Weg, aber was ich meine, ist: Ich fühle keine Reue. Es tut mir nicht mal leid.«
    War das Iason? Mein Iason?
    »Tut es dir leid, Mia?«
    »Dass sie tot sind?« Ich schluckte einen bitteren Kloß hinab. »Es gab einen Moment, da wollte ich sie sterben sehen, aber im Nachhinein … Ich wünschte, es hätte eine andere Möglichkeit gegeben.«
    Er lächelte schwach. »Siehst du.«
    Den Worten folgte ein ellenlanger Moment.
    » Leid tut mir allerdings, was ich im Bunker zu dir gesagt habe. Du weißt schon, die Sache mit dem Täuschungsversuch.«
    »Du hast es getan, um uns beschützen.«
    »Nein, Mia. Es war unverzeihlich. Zudem hätte ich dieses Risiko nie eingehen dürfen.«
    Ich setzte mich auf.
    »Iason Santo, du hörst jetzt sofort mit diesen Selbstvorwürfen auf. Nicht mal ich hätte gedacht, dass Mirjam zu so etwas imstande wäre.«
    Er schwieg – und schwieg – und schwieg.
    »Du vertraust ihr noch immer, stimmt’s?«
    »Ich kann es mir selbst nicht erklären, aber …«
    Ich wollte das nicht, ich wollte ihn nie wieder zerquält sehen. Also nahm ich seine Hand. »Dein Kopf und dein Herz haben gerade ordentlichen Krach miteinander, hm?«
    Er nickte.
    Es machte einfach keinen Sinn, weiter darüber zu sprechen. An diesem Punkt würden wir wahrscheinlich immer unterschiedlicher Meinung sein.
    Und dann legte ich mich zurück und schloss die Augen. Ich war so müde.

38

    E ndlich war er da, der Tag meiner Entlassung. Der Tag, an dem mich die Welt wiederhaben sollte. Iason war dieses Glück schon eher vergönnt gewesen, was aber nicht hieß, dass er sich weniger häufig an meinem Bett aufhielt als zuvor. Ich glaube, die Pfleger und Schwestern auf meiner Station hatten noch gar nicht mitbekommen, dass er seit über einer Woche nur noch Besucher in ihrem Haus war. Nun, ab heute würde es ihnen auffallen. Es war ein wundervoller Herbstmorgen. Die Kuppel war auf, die Sonne schien, das rote und goldgelbe Laub wehte vom Wind getrieben an meinem Fenster vorbei, und ich spürte die Freiheit in mir kribbeln, während ich den Reißverschluss meiner Tasche zuzog. Gäbe es da nicht meinen Kopf, der mich bei zu hastigen Bewegungen noch immer konsequent daran erinnerte, weshalb ich eigentlich hier gewesen war, ich glaube, ich wäre vor Freude auf- und abgehüpft.
    Eigentlich hatte meine Mutter darauf bestanden, mich abzuholen. Aber schlussendlich, und mir war schleierhaft, wie Iason das hinbekommen hatte, war Ariane auf seine Bitte eingegangen, diesen besonderen Moment ihm zu überlassen. Wahrscheinlich hatte es ganz praktische Gründe. Durch ihre permanente Anwesenheit hier war sie in letzter Zeit kaum zum Arbeiten gekommen. Rechnungen mussten aber bezahlt werden, ob die Tochter im Krankenhaus lag oder nicht. Außerdem rückte der Termin für ihre neue Gemeinschaftsausstellung inzwischen gefährlich nahe.
    Für gewöhnlich saß Iason um diese Uhrzeit schon längst anmeinem Bett, um ziemlich penetrant darauf zu bestehen, dass ich mein Frühstück vollständig aß und anschließend auch meine Tabletten schluckte. Blöderweise hatte er mich nämlich einmal dabei erwischt, wie ich sie heimlich in der Ritze zwischen Matratze und Rahmen verschwinden lassen wollte. Schließlich war ich ja davon ausgegangen, mein Maulwurffreund würde nicht sehen, was ich da tat. Aber leider hatte ich seine loduunischen Ohren unterschätzt, denen mein Kruschpeln nicht verborgen geblieben war. Seitdem achtete er wie ein Schießhund darauf, dass ich die Chemiekeulen zu mir nahm.
    Also, wie gesagt. Normalerweise, es war inzwischen Viertel vor zehn, wäre Iason schon längst hier gewesen, aber er hatte vor eineinhalb Stunden angerufen, weil er noch den Augenarzt im ersten Stock aufsuchen wollte, bevor er zu mir käme. Merkwürdig, dass er deswegen so aufgekratzt gewesen war. Aber als ich ihn darauf ansprach, beteuerte er, alles sei in Ordnung, und ich beruhigte mich wieder.
    » Ach, und, Mia.«
    » Ja.«
    » Deine Tabletten, die du wahrscheinlich gerade vernichtest, sind Placebos. Die Schwester kommt gleich mit den richtigen.«
    Wütend schielte ich zur Blumenvase, in der sich ein zarter Schaumkranz auf der Wasseroberfläche absetzte.
    Da Iason mir nicht hatte sagen können, wie lange es dauern würde, beschloss ich, vorm Eingang auf ihn zu warten. Ein letztes Mal ließ ich den Blick durch das Zimmer schweifen. Alles klar, ich hatte nichts vergessen. Ich stieß auf mein Bild im Spiegel, das mir seit
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