Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)

Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)

Titel: Sternenfeuer: Vertraue Niemanden: Roman (German Edition)
Autoren: Amy Kathleen Ryan
Vom Netzwerk:
zu ignorieren, die von Marjorie Wilkins angeführt wurde. Marjorie war noch fast ein Kind, zehn oder elf vielleicht und mit knubbeligen Knien, aber es war kaum zu übersehen, dass sie ein Auge auf Kieran geworfen hatte. Sie war eine seiner ausdrücklichen Unterstützerinnen und würde es, das wusste Waverly, mit jedem aufnehmen, der seinen Gottesdiensten nicht beiwohnte.
    »Und was haben deine Freunde dieses Mal angestellt?«, blaffte sie, als Waverly an ihr vorbeiging.
    Waverly wusste, dass sie das Mädchen hätte ignorieren sollen, aber sie konnte die Bemerkung nicht unkommentiert lassen. »Ich weiß nicht, wen du meinst.«
    »Ich meine die Leute, bei denen du unsere Eltern zurückgelassen hast«, schnarrte Marjorie. »Sie müssen deine Freunde sein. Warum sonst hättest du unsere Familien bei ihnen zurücklassen sollen?«
    »Wärst du lieber auf der New Horizon aufgewachsen? Wer weiß, vielleicht hätte ich dich ja auch lieber dort lassen sollen?«, entgegnete Waverly und versuchte, Marjorie mit einem kalten Blick zum Schweigen zu bringen, aber das Mädchen wirkte nicht im Geringsten beeindruckt.
    »Jeder hier findet, dass du ein Feigling bist«, sagte Millicent, Marjories kleine Schwester. Beide Mädchen hatten ihren Vater bei dem Shuttle-Hangar-Massaker verloren, hofften jedoch, dass ihre Mutter noch auf der New Horizon, dem heimtückischen Schwesterschiff der Empyrean, überlebt haben könnte. Und diese beiden waren auch Waverlys schärfste Kritikerinnen und ließen keine Gelegenheit aus, ihren missglückten Befreiungsversuch zu thematisieren. Wann immer Waverly die geringschätzigen Blicke der Mädchen sah, fühlte sie sich schuldig. Weil sie sich noch mehr hätte anstrengen müssen. Es war unerheblich, dass Mathers Leute mit Gewehren auf sie geschossen hatten. Dass die Kugeln ihre Schulter getroffen hatten, zählte nicht. Sie hätte einfach noch etwas länger durchhalten und dieses verdammte Schloss öffnen müssen. Dann hätten die Eltern den Container verlassen und ihr helfen können, Anne Mather und ihre Leute zu überwältigen. Sie hätten das Shuttle zurück zur Empyrean lenken können, und alles wäre gut gewesen. Wenn Waverly nur ein paar Sekunden länger dortgeblieben wäre, oder vielleicht auch nur den Bruchteil einer Sekunde, statt zum Feigling zu werden und ihr Heil in der Flucht zu suchen. Und es wäre ihr ohnedies nie gelungen zu fliehen, wenn die Crew der New Horizon sich nicht im allerletzten Moment gegen Anne Mather gestellt und den Mädchen so zur Flucht verholfen hätte.
    Aber hatte sie durch ihr Fortlaufen nicht zuletzt auch die Mädchen gerettet? Hatte sie Marjorie, deren Schwester und all die anderen kleineren Mädchen nicht davor bewahrt, den Rest ihres Lebens als Reproduktionssklaven auf der New Horizon zuzubringen? Sie hatten den Mädchen die Eizellen gestohlen und diese dann in Leihmütter verpflanzt, und so hätten die Mädchen hilflos zusehen müssen, wie ihre Kinder von Fremden großgezogen worden wären. Zumindest war es das, was sie Waverly, Sarah und all den anderen älteren Mädchen angetan hatten. Aber Marjorie etwas von alldem erzählen zu wollen schien ein unnützes Unterfangen zu sein. Sie wollte es nicht hören.
    Jetzt konnten die Eltern sich nur noch selbst helfen. Tage und Wochen nach der Flucht der Mädchen hatte jeder und jede auf der Empyrean gewartet und gehofft, dass die Unruhe, die die Flucht der Mädchen verursacht hatte, letztendlich auch zur Freilassung ihrer Eltern führen würde. Doch als die Hoffnung nach und nach wankte und schließlich schwand, sprachen die Blicke, die die anderen Kinder Waverly zuwarfen, immer häufiger eine allzu deutliche Sprache: Sie hatte versagt. Manchmal wollte sie nicht einmal mehr ihre Kabine verlassen.
    »Ich habe es versucht. Ich habe mein Bestes gegeben«, sagte Waverly zu Marjorie, aber sie hörte selbst, wie schwach ihre Stimme klang.
    Marjories Oberlippe kräuselte sich vor Abscheu. »Aber dein Bestes war nicht genug, nicht wahr?«, sagte sie kalt.
    »Nein«, bestätigte Waverly, und jetzt hielt sie jedem anklagenden Blick im Raum stand. »Nein. Es war nicht genug.«
    Niemand entgegnete etwas, aber Waverly spürte, wie sie sie voller Verachtung anstarrten, als sie sich nun abwandte und entfernte.
    Deshalb verstecke ich mich unter Traktoren und Mähdreschern, dachte sie bitter. Dort, wo mich niemand sehen kann. Wo niemand mich ansprechen kann. Wo ich einfach allein bin.
    Nur die Teenager-Mädchen, denen – ebenso wie Waverly
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher