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Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Titel: Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
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anfing, sie auf eine neue, schlüpfrige Art anzusehen.
    »Ich habe Sie gar nicht bemerkt«, sagte Waverly unbehaglich.
    Er strich sich eine Strähne dünnen blonden Haars aus den Augen. »Aber ich habe dich bemerkt.«
    Sie zuckte mit den Schultern und zupfte weiter Unkraut, aber als sie nach einiger Zeit aufblickte, war er immer noch da.
    »Alle sind zurzeit in heller Aufregung. Die Leute glauben, ich würde ihnen Informationen geben, weil ich der Chefpilot bin.« Seine Brust schwoll bei diesen Worten an, und Waverly fragte sich, ob er versuchte, sie zu beeindrucken. »Ich habe es satt, Fragen gestellt zu bekommen, die ich nicht beantworten darf.« Er sah sie an, als wollte er sie in Versuchung führen zu fragen, aber sie wollte sein Spiel nicht mitspielen. Stattdessen sagte sie: »Können Sie es ihnen übelnehmen, dass sie neugierig sind? Nach zweiundvierzig Jahren allein hier draußen haben wir plötzlich Nachbarn.«
    »Mach dir darüber nicht zu viele Gedanken«, sagte Mason mit schiefem Lächeln. »Sollte irgendetwas passieren, beschütze ich dich.«
    »Ich mache mir keine Sorgen«, entgegnete sie und ignorierte seine Anspielung. »Ich glaube nur, die Menschen wären ruhiger, wenn der Captain ihnen erklären würde, was die anderen hier machen.«
    »Du bist nicht auf diesem Schiff, um dir über solche Sachen Gedanken zu machen.«
    »Oh, wirklich?«, forderte sie ihn heraus.
    »Du bist hier für andere Dinge zuständig.«
    Waverly warf ihm einen eisigen Blick zu. Als sein Lächeln erstarb, fragte sie: »Und was sollen das für Dinge sein?«
    »Du kannst nicht erwarten, dass du einem erwachsenen Mann nicht auffällst. Es sei denn, er ist blind.«
    Waverly hob ihre Pflanzkelle auf. »Was ich erwarte, hat Sie meiner Meinung nach nicht zu interessieren.«
    »Ist das so?« Mit einem fröhlichen Lächeln begann er über den Zaun zu klettern, der sie trennte. Waverly sprang auf die Füße, warf ihre Pflanzkelle nach ihm und verpasste sein Gesicht nur um Zentimeter. Sie hatte das Geplänkel mehr als satt. »Bleib, wo du bist!«, zischte sie.
    Er duckte sich und funkelte sie an. »Du hättest mir das Auge ausschlagen können!«
    »Jeder auf diesem Schiff weiß, was für ein Scheusal du bist, Mason Ardvale. Alle Mädchen lachen über dich.«
    »Papa?« Masons Sohn Seth kam den Fußweg herunter und auf sie zu. Er trug einen Strohballen im Arm. »Was ist los?«
    »Geh zur Parzelle«, bellte Mason. »Ich bin gleich da.«
    »Ich kann warten.« Seth ließ den Ballen fallen, setzte sich darauf und fixierte seinen Vater mit trotzigen Augen. Waverly fragte sich, ob Seth vielleicht versuchte, sie zu beschützen.
    »Du solltest nicht mit Sachen nach Leuten werfen«, sagte Mason zu Waverly. »Das gehört sich nicht für eine junge Dame.«
    »Das ist richtig. Ich bin
jung,
Mason«, sagte sie, hob eine Handharke auf, warf sie in die Luft und fing sie mit der Hand wieder auf. »Ich bin nicht für dich bestimmt.«
    Ein Schatten legte sich über Masons Züge, als hinter ihm Gelächter ertönte. Mrs. Turnbull aus der Wäscherei und ihr Ehemann, der auf dem ganzen Schiff für seine hervorragenden Marmeladen bekannt war, kriegten Rüben aus, eindeutig in Hörweite. Mason wich vor ihr zurück, ölig und langsam, nahm einen Sack Mulch auf und ging seinen Weg weiter, den zerfurchten Pfad hinab. Seth hingegen blieb auf seinem Strohballen sitzen.
    »Er ist nicht so, wie es scheint«, sagte er und wich ihrem Blick aus. Dann hob er die Kelle auf, die Waverly geworfen hatte, und gab sie ihr.
    »Danke, dass du da warst.«
    Seth nickte beschämt und stand auf. Er war nicht beliebt an Bord, aber Waverly hatte sich immer zu ihm hingezogen gefühlt. Seine Mutter war bei dem gleichen Unfall gestorben, der ihr den Vater genommen hatte. Seth war ein paar Monate jünger als sie, aber seine Knochen waren bereits schwer, seine Stimme tief und die strahlend blauen Augen bohrend. Schon als sie in der vierten Klasse nebeneinandergesessen hatten, waren Waverly diese Augen aufgefallen, und bis heute hatten sie nichts an Faszination verloren. Einmal, als sie klein gewesen waren, hatte Seth sie sogar im Spielzimmer geküsst. Sie hatten zusammen an einem Puzzle gearbeitet, und sie war sich seines Atmens und der Zunge, die immer wieder über die trockenen Lippen fuhr, deutlich bewusst gewesen. Als sie das letzte Teil eingepasst hatten, hatte sie ihn angelächelt. »Wir haben es geschafft!«
    Er hatte innegehalten und dann mit gequälter Stimme geflüstert: »Ich liebe
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