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Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Titel: Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
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dich.«
    Ihr war die Kinnlade heruntergeklappt. Sie hatte sich den Rock über die schorfigen Knie gezogen, während ihre Wangen knallrot anliefen. »Was meinst du damit?«
    Plötzlich hatte er sich zu ihr gelehnt und sie geküsst, sehr sanft geküsst. Aber es war nicht der Kuss, an den sie sich so gut erinnerte; es war die Art, wie er seinen Mund danach auf ihrem verweilen ließ. Wie sein Atem ihre Wange gestreichelt hatte – einmal, zweimal. Bis er plötzlich hinausgerannt war. Sie hatte ihm nachgesehen und
Bleib!
gedacht, aber sie hatte es nicht ausgesprochen.
    Am nächsten Tag, als Seth neben ihr in der Klasse saß, hatte er sie hoffnungsvoll angesehen. Sie aber hatte sich abgewandt. Es war zu viel Gefühl, und sie wusste nicht, wohin damit. Und später in der Woche, als Kieran Alden sie wegen des Erntetanzes fragte, hatte sie »ja« gesagt. Während sie mit Kieran tanzte, tat sie so, als würde sie Seth nicht sehen, wie er mit den Händen in den Taschen bei der Punsch-Bowle stand und zu Boden starrte.
    Heute aber fragte sie sich, was geschehen wäre, wenn sie nicht Kieran gewählt hätte. Aus einem Impuls heraus sagte sie: »Erinnerst du dich an den Tag, als wir zusammen gepuzzelt haben?«
    Die Frage schien ihn zu überraschen. »Natürlich erinnere ich mich. Warum sprichst du jetzt davon?«
    Er sah sie an und wartete. Plötzlich fiel ihr auf, wie groß er war. Größer als Kieran. Er stand ihr zugewandt, die Arme hingen locker an der Seite, und es war beinahe, als zöge die Gravitation selbst sie zu ihm hin.
    »Es ist nur …« Sie warf sich herum. Was sollte sie sagen? Wie konnte sie es verhindern, Kieran zu hintergehen? Oder hatte sie das am Ende bereits getan? »Es ist eine schöne Erinnerung.«
    Ein Lächeln öffnete Seths Gesicht, aber dann verdarb er es. »Ich dachte, du und Kieran, ihr wärt immer noch …«
    »Ja.« Der Hals wurde ihr eng, und sie schien an dem Wort zu ersticken.
    Sein Lächeln fiel in sich zusammen. »Ist gut, dass ihr zusammenkommt. Wo er doch jedermanns Liebling ist und so.«
    »Er ist nicht jedermanns Liebling.«
    »O doch, das ist er.«
    Einen Herzschlag lang sahen sie einander an.
    »Ich schätze mal, du magst ihn nicht besonders«, meinte sie.
    »Lass uns einfach sagen, dass ich der Perfektion instinktiv misstraue.«
    Waverly versuchte desinteressiert zu klingen. »Denkst du da an jemand Bestimmtes?« Seth sah ihr in die Augen und fixierte sie. Sie wusste, dass sie irgendetwas tun sollte, um diese Situation aufzubrechen, und so sagte sie das Erste, was ihr einfiel: »Hast du jemals über den Unfall nachgedacht?«
    Er musste nicht fragen, worüber sie sprach. »Und du?«
    »Etwas, was Mama heute gesagt hat, hat mich stutzig gemacht.«
    Seth schaute zu seinem Vater, der sich über ein Melonenbeet beugte. »Ja. Ich denke oft darüber nach.«
    »Weißt du, ich dachte immer, dass es ein Unfall war, aber …«
    Seth trat einen Schritt auf sie zu. »Und das solltest du auch weiterhin denken.«
    »Was meinst du damit? Hast du irgendwas gehört?«
    Seth vergrub seinen Zeh in den Wurzeln einer Pfefferpflanze. »Lass uns einfach sagen, ich habe Gründe, an dem Wohltäter deines Freundes zu zweifeln.«
    »Captain Jones?«
    »Er ist nicht der freundliche alte Mann, für den die Leute ihn halten.«
    »Wovon sprichst du?«
    Seths Kinn sank nach unten, und er starrte jetzt auf ihre Schuhe. »Weißt du was? Ich bin paranoid. Das war ich schon immer.«
    »Du sagst mir auf der Stelle, was du weißt.«
    Der Zweifel war Seth deutlich ins Gesicht geschrieben, aber schließlich zuckte er mit den Schultern. »Waverly, um ehrlich zu sein, ist es nur so ein Gefühl, das ich habe. Ich weiß nicht mehr als du.«
    Sie sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Er verschwieg ihr etwas. »Ich glaube dir nicht.«
    »Pass einfach mit Kieran auf, okay? Captain Jones’ Freunde neigen dazu, komplizierte Leben zu führen.«
    »Meinst du damit deinen Vater?«
    »Ich meine damit nichts, und wir sprechen über nichts.«
    »Wen versuchst du zu beschützen? Deinen Vater oder mich?«
    Wieder sah er sie an, und es lag so viel trauriges Sehnen in seinem Gesicht, dass sie den Blick abwenden musste. Sie ließ sich auf die Knie sinken und zog wieder Unkraut heraus. Seth griff nach seinem Strohballen, drehte sich um und folgte seinem Vater. Waverly sah zu, wie er gebeugt davonging, und wartete darauf, dass er sich noch einmal zu ihr umdrehte, aber das tat er nicht.
    Plötzlich quäkte der Schiffsalarm los. Die Stimme
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