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Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Sternenfeuer: Gefährliche Lügen

Titel: Sternenfeuer: Gefährliche Lügen
Autoren: Amy Kathleen Ryan
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Kinn und Lippen, wo seine Barthaare sie gekratzt hatten. Ihre Muskeln waren wund von der drängenden Art, wie sie sich einander hingegeben hatten. Sie hatte es sich so oft vorgestellt, sie hatte immer gewollt, dass es perfekt wurde – und das war es auch fast gewesen. Er hatte ihr so aufmerksam in die Augen und auf den Körper geschaut, seine Finger waren über ihre Haut gewandert, die Art, wie er ihr die Haarsträhnen aus dem Gesicht gestrichen hatte. Aber als es vorbei gewesen war, hatte sie nicht anders gekonnt: Sie hatte gedacht, dass noch mehr möglich gewesen wäre. Etwas mehr, was zwischen ihnen hätte erblühen können. Aber sie sagte sich selbst, dass auch das kommen würde mit der Zeit. Es musste ja nicht alles in einer Nacht geschehen. Und so hatte sie sich begnügt mit dem wunderbaren Gefühl, in seinen Armen einzuschlafen.
    Jetzt schien die letzte Nacht unwirklich zu sein, wie etwas, was sie auf einem Kom-Schirm beobachtet hatte. Sie war kaum in ihrem Körper zugegen, während sie sich anzog. Sie schlüpfte in eine von Kierans Hanfhosen und in ein Oberhemd aus seinem Wandschrank und hielt sich nicht mit dem Spiegel oder ihrem Haar auf, sondern ging barfuß die Gänge hinab und ließ das Metall ihre Fußsohlen kühlen. Ihr Herz schien das Blut aus Armen, Beinen und dem Verstand zu saugen, und sie blinzelte dunkle Punkte in ihrem Blickfeld fort.
    Der Zentralbunker war vollgepfropft und erfüllt von Geschnatter und Lachen. Wenn die Mädchen auch traurig waren, dass sie ihre Eltern nicht wiedergefunden hatten – oder überhaupt irgendwelche Erwachsenen –, so waren sie trotzdem überglücklich, wieder zu Hause und mit ihren Brüdern und Freunden auf ihrem Heimatschiff vereint zu sein. Und da die Jungen zumindest wussten, dass ein paar ihrer Eltern auf der
New Horizon
überlebt hatten, waren auch sie glücklich. Waverly konnte die Hoffnung im Raum spüren, aber sie schien weit entfernt zu sein, als könnte sie sie nicht wirklich berühren. Sie setzte sich in die letzte Reihe und sah zu, wie Kieran ans Rednerpult trat. Er strahlte.
    »Danke, dass ihr gekommen seid«, sagte er und wartete, bis sich die Menge beruhigt hatte. Sein Blick ruhte nun auf Waverly, und er lächelte, ehe er fortfuhr. »Zuerst einmal möchte ich die Mädchen bei uns willkommen heißen. Wir haben euch alle sehr, sehr vermisst.«
    Die Jungen johlten zustimmend. Kieran lachte und bedeutete ihnen, sich zu beruhigen. »Vor ungefähr fünf Monaten«, begann er, »wurde unsere Gemeinschaft zerrissen. Wir wurden zurückgelassen in Sorge um unsere Eltern und Schwestern und hatten Angst um uns. Die Mädchen mussten bei Fremden leben und unentschuldbare Vergehen ertragen.«
    »Was weiß der schon davon?« Waverly hörte das Flüstern ein paar Reihen vor sich. Es war Sarah, die den Kopf schüttelte und die Stirn runzelte. Sie sahen einander an, und Waverly wusste, dass sie sich das Gleiche fragten: Wieso hielt Kieran eine Predigt? Wusste er nicht, dass er genau wie Anne Mather klang?
    »Wenn einem ein so schrecklicher Schlag zugefügt wird«, fuhr er fort, »bleiben einem zwei Möglichkeiten: Man gibt auf, oder man macht weiter. Aber das schafft man nicht allein. Wir Menschen sind Herdentiere. Wir Jungen brauchten einander, während wir darauf warteten, dass ihr Mädchen zurückkehren würdet. Wir mussten einen Weg finden, uns zu vereinen, eine neue, stärkere Gemeinschaft zu bilden. Und das haben wir getan. Die
Empyrean
hat sich selbst als etwas Vitales und Gesundes neu erschaffen. Wir haben unsere Belastungen, unsere Probleme, unsere gestorbenen Träume und unsere private Trauer, aber wir wissen auch, dass wir jede Woche all diese Dinge beiseiteschieben und hierherkommen können. Wir brechen das Brot miteinander, wir reden, und wir erinnern uns an den Sinn, der um so vieles größer ist als unsere kleinen Pläne und Sorgen.«
    Er ließ den Blick über sein Publikum schweifen, und Waverly dachte an einen alten Film, den sie einst gesehen hatte – über den stolzen und zielstrebigen Dirigenten eines Symphonieorchesters. Er hatte seine Musiker auf die gleiche Art angesehen.
    »Es gibt einen Plan hinter dem Schleier der Sterne, und wir erfüllen ihn, richten unser Denken und Sein danach aus, von den Gezeiten der Zeit auf die Zukunft, auf unser Schicksal zu: die ersten Siedler auf einer neuen Welt zu sein.«
    Der Raum lag in Schweigen.
Er hat sie,
dachte sie. Selbst die älteren Mädchen hörten gebannt zu.
    »Wir wissen nicht, was morgen
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