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Sterblich

Sterblich

Titel: Sterblich
Autoren: Thomas Enger
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fragt sie, ob sie etwas essen wollen.
    »Einen Fontésburger mit Bacon und ein richtig großes Bier«, sagt Anette.
    Sie sieht erleichtert aus, denkt Henning.
    »Für mich auch«, sagt er. »Sowohl als auch.«
    Der Kellner nickt und macht kehrt.
    Meine Güte, wie linkisch, denkt er. Aber obgleich seine Ambitionen vollkommen harmlos sind, wird er das Gefühl nicht los, ein Date mit ihr zu haben. Und dieses Gefühl verwirrt ihn.
    »Und«, sagt sie und sieht ihn an. »Hat das eine gute Story abgegeben?«
    »Geht so«, sagt er. »Glaube ich jedenfalls. Ich habe sie nicht selbst geschrieben.«
    »Dann haben Sie irgendeinen Redaktionssklaven dazu gebracht, das für Sie zu erledigen?«
    »So in etwa.«
    »Es macht doch viel mehr Spaß, selbst zu schreiben.«
    »Ich dachte, Sie wollten Regisseurin werden?«
    »Schon, aber die besten Regisseure sind oft auch die besten Autoren. Quentin Tarantino zum Beispiel. Oliver Stone. Ich wollte gerade Clint Eastwood sagen, aber ich glaube, der schreibt gar nicht so viel. Wussten Sie eigentlich, dass Clint Eastwood den größten Teil seiner Filmmusik selbst komponiert?«
    »Nein.«
    »Jetzt wissen Sie’s. Und seine Musik ist ziemlich gut. Jazzig. Viel Klavier.«
    Henning mag jazzige Musik mit viel Klavier. Sie bleiben sitzen und sehen sich an, ohne etwas zu sagen.
    »Was wird nun aus dem Film werden?«, fragt er nach einer Weile und bereut es sofort, das Thema jetzt schon angeschnitten zu haben.
    »Aus welchem?«
    »Eigentlich aus beiden.«
    »Tja, schwer zu sagen. Im Moment will ich eigentlich gar nicht darüber nachdenken. Meine beste Freundin ist tot, umgebracht von einem Verrückten, den ich am liebsten niemals kennengelernt hätte. Das Letzte, woran ich jetzt denken will, ist, was aus dem Film wird. Oder den Filmen. Im Moment habe ich bloß Lust, meinen Burger zu essen und an gar nichts zu denken.«
    Er nickt. Anette dreht sich um und hält nach dem Kellner Ausschau. Als er sie sieht, nickt er und entschuldigt sich mit einer koketten Kopfbewegung.
    »Hat Bjarne Sie lange gegrillt?«, fragt Henning.
    »Ja, ziemlich kross, von beiden Seiten.«
    »War es einigermaßen okay? War er nett zu Ihnen?«
    »Ja doch. Das war alles in Ordnung. Ich muss mich vermutlich auf ein paar zusätzliche Runden einstellen, aber das ist okay. Ich verstehe das.«
    Der Kellner erlöst Anette. Sie dankt ihm, nimmt einen großen Schluck und leckt sich den Schaum von der Oberlippe.
    »Ah, Erste Hilfe.«
    Henning nimmt sein Glas und dreht es zwischen den Fingern. Eine Weile bleibt er so sitzen.
    »Ich habe ihn gefunden«, sagt er plötzlich. Er weiß nicht, wo der Satz herkommt. Er ist ihm einfach so rausgerutscht.
    »Stefan?«
    »Hm. Ich hätte niemals in die Wohnung gehen dürfen, aber ich wollte Yngve noch ein paar Fragen stellen. Er war nicht da, aber die Tür war offen, und da bin ich …«
    Er senkt den Kopf.
    »Sie sind reingegangen?«
    Er hebt den Blick und nickt.
    »Waren Sie jemals bei Foldvik zu Hause?«
    Anette schluckt wieder.
    »Ich habe mich da mal mit Stefan getroffen, vor … wann war das? Das muss etwa sechs Monate her sein. Wir haben über sein Skript gesprochen.«
    »Das Sie verfilmen wollten?«
    »Genau.«
    »Und das war das einzige Mal?«
    Sie trinkt einen Schluck und nickt.
    »Wir haben danach hin und wieder gemailt oder gechattet und uns ein paarmal unterhalten. Meistens über den Film. Der lag ja noch eine ganze Weile vor uns. Wie alles in der Filmbranche. Zu Beginn hat man Meetings, um die Meetings zu planen, und wenn die dann kommen, einigt man sich darauf, ein neues Meeting zu machen, um die folgenden Meetings zu planen.«
    Sie verdreht die Augen. Er lächelt.
    »Warum fragen Sie danach?«
    »Ach, ich dachte nur …«
    »Darf ich Sie etwas fragen?«
    »Klar doch.«
    »Was ist eigentlich mit Ihnen passiert?«
    Sie zeigt auf sein Gesicht, auf die Narben.
    »Ach, das.«
    Er starrt auf die Tischplatte vor sich.
    »Sie brauchen nicht darüber zu reden«, sagt Anette mild.
    »Nein, das ist schon …«
    Er dreht sein Glas zwischen den Fingern.
    »Sie sind nicht die Einzige, die mich in den letzten Tagen danach gefragt hat. Und ich weiß eigentlich nicht recht, wie ich darüber reden soll, ohne …«
    Er hält inne und sieht wieder den Balkon vor sich, Jonas’ Augen, spürt die kleinen Hände, die plötzlich nicht mehr da sind. Und mit einem Mal ist es so, als befände er sich in einem schalldichten Raum ohne Lichtschalter. Er sieht sie an.
    »Ein andermal vielleicht.«
    Anette hebt die
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