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Sterben in Rom

Sterben in Rom

Titel: Sterben in Rom
Autoren: Vampira VA
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stofflich gewordenes Stück der Nacht selbst.
    »Wozu?« fragte sie. »Das arme Ding weiß weder, wo es ist, noch wo es hinwill. Wie sollte uns das weiterhelfen?«
    Der Mann hielt den Blick starr in die Richtung, in die das Mädchen entschwunden war, als könnte er es der Dunkelheit zum Trotz noch sehen.
    »Dürfen wir es uns denn erlauben, wählerisch zu sein, was mögliche Hilfe angeht?« fragte er fast tonlos. »Oder sollten wir nicht vielmehr jede noch so geringe Möglichkeit ergreifen - in Anbetracht unserer Lage?«
    Bei den letzten Worten hatte er seinen Blick Lilith zugewandt, und etwas darin zwang sie beinahe, den eigenen wie betreten zu senken.
    Er hatte nicht ganz unrecht. Ihrer beider Situation war tatsächlich so, als daß sie selbst eine noch so geringe Chance, die einen Ausweg versprechen konnte, nicht ungenutzt verstreichen lassen durften.
    Dabei war seine Lage noch um eine Spur übler als Liliths - denn sie wußte zumindest, wie ihr Name lautete (obgleich sie dessen keineswegs ganz sicher sein konnte. Ein Mönch namens Salvat hatte ihr diesen Namen als den ihren genannt, und so hatte sie ihn - in Ermangelung einer Alternative - akzeptiert). Der Mann an ihrer Seite jedoch wußte nicht einmal, wie er geheißen haben mochte - bevor irgend etwas ihrer beider Erinnerungen, ja mehr noch: ihr ganzes We-sen ausgelöscht hatte.
    Beide waren sie vor kurzem erwacht - und sie wußten nicht einmal, ob sie nur geschlafen hatten, oder ob sie sich in einem gänzlich anderen, womöglich unbeschreiblichen Zustand befunden hatten.
    Was vor diesem Zeitpunkt lag, existierte für sie nicht mehr. Als hätte es ein Leben davor nie gegeben. Und doch - irgend etwas ließ sie ahnen, ohne in irgendeiner Weise konkret zu werden, daß es ein Vorher gegeben haben mußte.
    Vielleicht hätten sie es erfahren, wäre der Ort ihres Erwachens, jenes mysteriöse Kloster auf einem Berggipfel nördlich von Rom, nicht vernichtet worden, kaum daß sie dort zu sich gekommen waren. Schließlich mußten sie auf irgendeinem Wege dort hingelangt oder -gebracht worden sein. Den Untergang jenes Ortes hatte jedoch nichts überdauert, was ihnen eine Spur in ihre Vergangenheit hätte liefern können; und niemand hatte überlebt, der ihnen Antworten hätte geben können. 1
    Nur sie beide waren davongekommen. Am Fuß des Klosterberges waren sie einander schließlich begegnet und hatten sich zusammengetan und auf den Weg in ein nahes Dorf gemacht; wie selbstverständlich, weil sie etwas gemeinsam hatten: keine Erinnerung.
    Die Ereignisse in jenem Dorf waren nicht dazu angetan gewesen, ihnen den Aufenthalt dort länger ratsam erscheinen zu lassen. Ein Wesen hatte dem Mann ohne Identität aufgelauert, erst als verführerische Frau, dann als amorphes, tentakelbewehrtes Ungeheuer. Zu dem Schock, die Existenz eines solchen Wesens zu erfahren - denn gehörten Monster, Dämonen und Drachen nicht ins Reich der Legenden? - gesellte sich die schreckliche Erkenntnis, daß jemand ihnen beiden (oder zumindest dem Mann) nachjagte.
    Das amorphe Wesen war vergangen, zu Staub zerfallen, noch bevor es einem von ihnen wirklich gefährlich werden konnte. 2 Was aber, wenn es nicht der einzige Verfolger gewesen war? Wenn noch mehr oder andere Kreaturen ihnen folgten?
    So waren sie also weitergezogen. Rom hatten sie sich eigentlich nur seiner Nähe wegen zum Ziel erkoren. Außerdem suggerierte ihnen allein die Größe der Stadt die Möglichkeit, daß sich hier etwas finden ließe - irgend etwas, das wenigstens eine von unendlich vielen Antworten sein konnte, nach denen sie suchten. Und schließlich mußten sie irgendwo mit dieser Suche beginnen - weshalb also nicht am nächstbesten Ort?
    Lilith für ihren Teil allerdings war durchaus versucht, Rom auf schnellstem Wege wieder zu verlassen. Sie konnte nicht recht glauben, daß sie hier in irgendeiner Weise fündig würden. Nichts an der Stadt schien ihr auch nur im mindesten vertraut. Im Gegenteil, fast ängstigte sie die Größe Roms, und es kam ihr vor, als ginge sie mit jedem Schritt, den sie tat, tiefer hinein in den gewaltigen Schlund eines finsteren Molochs, der sich schlafend stellte und nur darauf wartete, daß sie sich weit genug in seinen Rachen hineinwagte, damit er unvermittelt zuschnappen konnte.
    Nur - konnte sie denn sicher sein, daß nicht jede andere Stadt genau dieselbe Wirkung auf sie zeitigen würde?
    Auf der rein rationalen Ebene ihres Denkens wußte Lilith freilich, daß solche Befürchtungen nur barer
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