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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche
Autoren: Niklaus Schmid
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vage Handbewegung. »In letzter Minute sozusagen, die Abrissbirne hatte ihre Arbeit schon begonnen und es gab Leute im Stadtrat, aber auch Kollegen im Funkhaus, die für den Kahlschlag eintraten.«
    Erwartete der Radiomann für seinen Einsatz jetzt ein Dankeschön von mir? Oder einen Rabatt?
    Er wollte wohl nur seine Position im Sender unterstreichen, denn schließlich erklärte er sich, ohne zu feilschen, mit meiner Forderung, Vorschuss plus Erfolgshonorar, einverstanden:
    »Gut, Herr Mogge, alles geklärt. Wann fangen Sie an, morgen?«
    »Morgen geht nicht«, sagte ich und ließ durchblicken, mit Aufträgen überlastet zu sein.
    Eine glatte Lüge. Ich musste zu einer Beerdigung. Aber das ging meinen neuen Klienten ja nichts an.
    3.
    Es war ein Tag wie geschaffen für eine Totenfeier, grau, mit Sturmböen und aufgezwungenen Fahrpausen. Zwei Stunden hatte ich mich bereits durch Staus und Baustellen von Duisburg in Richtung Osten gequält. Jetzt stieg ich aus dem Wagen, um mir die Beine zu vertreten. Zunächst aber sog ich die kalte Luft, die über das mit Reif bedeckte Land wehte, tief in meine Lungen.
    Doch ja, etwas anders als im Ruhrgebiet roch es hier im Westfälischen schon. Weniger nach Industrie, mehr nach der fetten Ackerkrume der Börde – und da war noch ein anderer Duft, der nach Kreide und nassem Tafelschwamm, aber das mochte auch Einbildung sein. Denn im gewissen Sinne befand ich mich nicht nur auf dem Weg zu einer Beisetzung, sondern auch auf einer Reise in die Vergangenheit, ausgelöst durch einen Anruf aus Soest, der Stadt, in der ich mal für kurze Zeit zur Schule gegangen war.
    »Herr Mogge, Elmar Mogge?«
    »Ja, genau der, worum geht es denn?«
    Die Frau, eine Anne Mehringer, hatte mir dann etwas von einem Toten mit Namen Peter Rugen erzählt, den ich kennen müsste.
    »Und warum müsste ich das?«
    »Nun, Ihr Name steht zusammen mit dem seinigen auf der Teilnehmerliste eines Klassentreffens.«
    Mit dem seinigen! Das Klassentreffen war über zehn Jahre her und ich hatte es nicht in sonderlich guter Erinnerung. Das Wiedersehen mit den alten Schulkameraden war genauso verkrampft abgelaufen, wie ich es befürchtet hatte. Zugegeben, zum Teil hatte es an mir gelegen beziehungsweise daran, dass sich die anderen Teilnehmer untereinander viel besser kannten.
    Ich war nur ganze zwei Jahre in Soest zur Schule gegangen, dazu noch in der Grundschule, und das war eben ein paar Tage her. Trotzdem hatte ich den einen oder anderen wieder erkannt, als ich den Saal betrat, den die Organisatoren des gemütlichen Beisammenseins, wie es hieß, gemietet hatten.
    Wir saßen dann zusammen, erzählten von den Streichen, die wir den Lehrern gespielt hatten, und fragten einander ab, was der andere denn derzeit beruflich so machte. Ich war damals noch im Polizeidienst gewesen, was einige ganz
    bemerkenswert fanden. Nach zwei, drei Gläsern Bier wurden die Gespräche etwas lockerer und das Thema Nummer eins, wer mit wem zusammenlebte oder ein Techtelmechtel hatte, beherrschte die Runde. Verstohlene Blicke zu den Frauen, unter ihnen auch einige Lehrerinnen, die am Nachbartisch zusammensaßen und ein Extragrüppchen bildeten.
    Unvermeidlich dann das Aufzählen, wer von den Ehemaligen schon in der Grube lag. Tja, Liebe und Tod, die ewigen Themen, sofern Fußball in Anwesenheit von Frauen verpönt ist.
    Zu essen gab es eine westfälische Schlachtplatte, zu trinken ein haus gebrautes Bier, beides war wirklich gut. Weniger gefiel mir der Qualm, der den Raum mit der niedrigen Decke füllte. Ich war gerade mal wieder dabei gewesen, mir das Rauchen abzugewöhnen. Nachdem die Bedienung die Teller abgeräumt hatte, verließ ich meinen Platz, um frische Luft zu schnappen. Als ich zurückkam, standen überall Leute in kleinen Grüppchen, Frauen, die Rezepte austauschten oder wie junge Mädchen über irgendetwas kicherten, Männer, die sich gegenseitig auf die Schulter schlugen oder auf die vorgeschobene kameradschaftliche Tour mit ehemaligen Mitschülerinnen anbändelten. Andere gaben sich intellektuell oder ließen ihre Geschäftstüchtigkeit raushängen, munkelten vertraulich, aber doch hörbar von einer Ausstellung in einer Bootsgalerie am Möhnesee. Von Kunst und Schwellbildern war die Rede, was für einen Außenseiter wie mich wichtig klingen sollte, dann aber, als ich mich zu dieser Thekenrunde gesellte, nur der Anlass für zweideutige Bemerkungen war –
    »Hallo, Elmar, was hältst du denn von Schwellkörpern?«
    Das
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