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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche
Autoren: Niklaus Schmid
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Form von Anrufen und Hörerbriefen.«
    Unter den vielen Zuschriften war, wie mein Besucher weiter erzählte, vor einigen Wochen auch der Brief jener Frau gewesen, die vor wenigen Minuten über meinen Bildschirm geturnt war. Kelian hatte ihr geantwortet und in einem zweiten Brief hatte sie zunächst von ihren persönlichen Problemen gesprochen, später dann selbst gebackene Plätzchen und Gedichte geschickt.
    »Natürlich habe ich mich für diese Aufmerksamkeiten bedankt, man muss ja immer an die Hörerbindung denken.
    Danach aber habe ich die Korrespondenz abgebrochen, was meine treue Hörerin jedoch nicht abschreckte. Im Gegenteil, ihre Zuschriften wurden drängender, die Geschenke immer intimer.«
    Ich dachte an meinen Briefkasten, an die Angebote zu Fernlehrgängen, an die Einladungen zu Kaffeefahrten, und sagte: »Verstehe, äußerst lästig.«
    »Nicht nur lästig. Was ist, wenn so eine Frau irgendwann einmal ausrastet?«, gab Kelian zu bedenken. Er habe in einem ähnlich gelagerten Fall von Säureattentaten und Molotow-Cocktails gelesen.
    Ich sah da zwar noch einen erheblichen Unterschied zu den bisherigen Aktionen, glaubte aber, mich nun genug geziert zu haben. Deshalb erwähnte ich noch einmal, dass Stalking in der Bundesrepublik nicht unter Strafe stand. Er nickte. Der Punkt war geklärt. Ich sagte zu. »Und wann soll ich anfangen?«
    »Je eher, desto besser«, schlug Kelian vor.
    Ich nannte meine Bedingungen, er war einverstanden und reichte mir sein Kärtchen. Gregor Kelian, Dipl.-Psych.
    Mein neuer Klient wohnte Am Freischütz, das war eine ruhige Straße am Kaiserberg und somit beste Duisburger Wohngegend.
    So eine Visitenkarte bietet ja nicht allzu viel Lesestoff, und deshalb schob er mir, als ich sie etwas abwesend zwischen meinen Fingern bewegte, eine CD zu. Auf der Vorderseite prangte das Konterfei von Kelian und der Titel Die Macht der Worte, auf der Rückseite standen die Kurzvita des Autors sowie ein Hinweis auf seine Sendung.
    »Behalten Sie’s, vielleicht haben Sie mal Lust, reinzuhören.«
    Ich versprach es und fragte nach dem vollständigen Namen seiner Verehrerin.
    »Zuerst nannte sie sich Irene, später dann Isolde, kein Nachname. Sie schauen so erstaunt, Herr Mogge, vielleicht sollte ich das mal erklären: Die ersten Zuschriften kamen per E-Mail, was heutzutage durchaus üblich ist. So eine Mail kann ja von irgendeinem Punkt in der Welt abgeschickt werden. Die Zeiten, da man Briefen ansah, woher sie kamen, sind endgültig vorbei.« Der Mann hörte sich selbst gern reden und war geneigt, seinen Zuhörern die Welt zu erklären. Wahrscheinlich eine Berufskrankheit. »Die späteren Briefe und Päckchen«, fuhr er fort, »hatten keinen Absender, abgestempelt waren sie in Oberhausen.«
    Das hörte sich ja viel versprechend an. Ich sollte eine Frau suchen, die Irene oder Isolde hieß, sich beim nächsten Mal genauso gut aber auch Rumpelstilzchen nennen konnte, eine Frau, die ihren Körper recht freizügig präsentierte, ihr Gesicht auf dem Video aber hinter einer Maske verbarg und auf dem Friedhofsfoto einen Witwenschleier trug.
    »Poststempel Oberhausen«, nickte ich. »Kann ich denn mal die Zuschriften sehen, vielleicht gibt es da ja einen versteckten Hinweis.«
    »Die elektronische Post habe ich gelöscht, die den Päckchen beigelegten Briefe weggeworfen.«
    Mir lag die Frage auf der Zunge, was er auf meinen Türschild gelesen hatte. Stand da etwa Elmar Mogge – Voodoo-Künstler?
    Die Leute haben, beeinflusst durch das Fernsehen, die seltsamsten Vorstellungen von den Fähigkeiten eines privaten Ermittlers. Ich schluckte meine Bemerkung hinunter und machte Kelian stattdessen einen Vorschlag. Ich schilderte ihm, wie ich die Sache anfassen wollte.
    »Laden Sie Ihre Verehrerin per E-Mail zu einem Treffen ein, hier in Duisburg. Als Erkennungszeichen können Sie Ihre CD
    vorschlagen, die Sie ja in Ihrer Sendung propagieren.«
    »Und der Grund für das Treffen? Was soll ich sagen?«
    »Nun, Sie sind eben neugierig geworden, wollen Ihrer treusten Hörerin mal Auge in Auge gegenübersitzen und ihr bei der Gelegenheit die CD signieren. Das könnte mir die Arbeit erleichtern, diese Irene aufzuspüren – und Sie ersparen sich einige Tagesätze an Honorar.«
    Gregor Kelian erhob sich von seinem Sessel, ging zum Fenster und warf einen Blick auf Duisburgs Innenhafen.
    »Wussten Sie, dass unser Sender sich dafür eingesetzt hat, zumindest einen Teil der historischen Gebäude zu erhalten?«
    Ich machte eine
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