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Steinfest, Heinrich

Steinfest, Heinrich

Titel: Steinfest, Heinrich
Autoren: Wo die Löwen weinen
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Damenbeine langfristig eine Rolle spielen sollten, es die von Aneko
Tomita sein würden. Sowenig Aneko sich zur Zeit für einen kleinen Hund dieser
Art begeistern mochte. Noch war sie viel zu sehr auf die möglichen
Verschmutzungen konzentriert und übersah darum sein bonsaiartig kunstvolles
Zurechtgestutztsein.
    Gut, in dieser Nacht war Rosenblüt allein mit Kepler, weil
Aneko an den Ammersee gefahren war, um dort Georg Baselitz zu fotografieren.
Rosenblüt bereitete Kepler einen mit alten Decken gefüllten Karton als
Schlafstätte, doch mitten in der Nacht stand er auf und trug den so gut wie
bewußtlosen Hund hinüber aufs Sofa. Dabei war der Karton vielleicht sogar
gemütlicher gewesen, weil gleich einem Nest. Aber mitten im Schlaf hatte
Rosenblüt die Erkenntnis ereilt, daß es nicht anging, Kepler in einen Karton zu
stecken, als wäre er ein Obdachloser. Das war er
ganz sicher nicht.
     
    Am nächsten Tag genehmigte sich Rosenblüt ein ausgiebiges
Frühstück auf seiner Terrasse und gab währenddessen telefonische Anweisungen
an seinen Assistenten. Nichts, was mit der Uhl-Sache zu tun hatte. Denn gemäß
Prochers Anweisung würde er seine Mitarbeiter völlig heraushalten, um so mehr,
als es ja gar nicht in ihr Ressort fiel, solange da nicht irgend jemand
bewegungslos in seinem Blut lag.
    Danach wählte Rosenblüt die Nummer eines Informanten, des
Betreibers einer Innenstadtbar und Kenners der Szene. Er firmierte allein
unter dem Namen Max. Von den Behörden vor die Wahl gestellt, wegen einer
aufgedeckten Steuerhinterziehung den Weg des Ruins zu gehen oder sich in
sinnvoller Weise als Edelspitzel zu betätigen, hatte sich Max gegen den Ruin
entschieden und war klug genug gewesen, seine Gönner nicht zu enttäuschen.
Allerdings kontaktierte Rosenblüt diesen Mann so selten wie möglich. Damit
nicht etwa das Moment der Abhängigkeit auf die falsche Seite kippte und man
kein Verbrechen im Rotlichtmilieu mehr ohne den guten Max klären konnte.
Schlimm genug, daß sich die meisten Unterweltler für die besseren Polizisten
hielten und meinten, ihre Geschäfte, gleich ob Prostitution oder Drogen oder
Diebstahl, würden eine ordnende Kraft im unordentlichen Gefühlsleben der
Bürger darstellen. Rosenblüt hielt wenig davon, die Kriminellen in dieser
Anschauung auch noch zu bestätigen. Er hielt Distanz zu ihnen. Keine
Verbrüderung, keine Vorteilnahme, nur das Notwendige.
    Eine Stunde später stand Rosenblüt in der Mitte von Maxens
Bar. Zwei Putzfrauen fuhren mit nassen Lappen über den dunklen Boden. Hinter
der Theke thronte der Besitzer und kontrollierte die Gläser. Er war berüchtigt
für seinen Sauberkeitsfimmel. Angeblich hatte er einem Gast den Arm gebrochen,
nur weil der neben das Klo gepinkelt hatte. Nun gut, nicht wenige gequälte
Hausfrauen hätten wohl ausgerufen: "Brich ihm auch noch die Beine, damit
er beim Pinkeln nicht stehen kann."
    "Darf ich Ihnen etwas anbieten, Herr Kommissar?"
fragte Max.
    Verdammt, schon wieder war es Vormittag. Die beste Zeit,
um zu trinken. Rosenblüt erbat sich einen Cognac. Unterließ es jedoch, eine
bestimmte Marke zu nennen. Das hätte Max beleidigt. Max servierte immer nur das
Beste.
    Rosenblüt genoß einen ersten, warmen Schluck, dann sagte
er: "Es geht um eine Bande Jugendlicher. Fünf Türken."
    Jetzt war Max doch noch beleidigt. Er protestierte. Was,
um Himmels willen, sollte er mit irgendeiner Türkenbrut zu schaffen haben? Er
sei Geschäftsmann, er sei sich seine eigene Bande, er brauche niemanden, der
ihm die Drecksarbeit abnehme.
    Rosenblüt hätte gerne geantwortet: "Aber deine
Buchhaltung, Max, hättest du vielleicht doch jemand anders machen lassen
sollen." Doch er blieb beim Sie und wollte von Max wissen, welche Leute er
aus dem Milieu kenne, die sich solcher Halbstarker bedienen würden.
    "Ich halte Abstand zu den Muselmanen",
behauptete Max.
    "Das glaube ich Ihnen ja. Aber ein paar Namen kennen
Sie trotzdem, nicht wahr? Ich meine Männer, zu denen es paßt, für gewisse
Aufträge sechzehnjährige Burschen zu engagieren: Einschüchterungen,
Erpressungen, Straßensachen. Ich denke, das ist doch sicher eine Art von
Markenzeichen, für solches Zeug nicht die großen, sondern die kleinen Buben
heranzuziehen."
    Max seufzte in der Art all der Menschen, die die besseren
Zeiten vermissen. Er meinte: "Die Minderjährigen sind manchmal wirklich
schlimmer als die Alten. Ohne Hemmung." Er nahm einen Schluck, sah
versonnen hinüber auf den feucht glänzenden Holzboden und
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