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Steinbrück - Die Biografie

Steinbrück - Die Biografie

Titel: Steinbrück - Die Biografie
Autoren: Daniel Goffart
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eignen.
    Gleiches gilt für die Industriepolitik. So hat der deutliche Erfolg der SPD bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen den Genossen gezeigt, dass sie mit ihrer Vorgehensweise durchaus Beifall aus der Wirtschaft ernten können. »Statt unregulierter Märkte fordern wir eine nachhaltige Industriepolitik« – Sätze wie dieser finden vor allem in den Großkonzernen Anklang. Dazu gehört neben anderem auch eine stärkere staatliche Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie die Subventionierung grüner Technologien, ein Herzensanliegen der Industrie. Zu solchen Maßnahmen ist die SPD viel eher bereit als etwa die auf reinen Wettbewerb setzende FDP, die als erklärte Partei des Mittelstands ohnehin die kleinen Unternehmen stärker im Auge hat als die Großkonzerne. Zudem ist die traditionell enge Verbindung der Regierungsparteien zur Wirtschaft seit dem überhasteten Atomausstieg nach dem Reaktorunfall von Fukushima empfindlich gestört.
    Zu den grundsätzlichen Differenzen kam erschwerend hinzu, dass die Energiewende völlig verstolpert wurde. Das Kompetenzgerangel zwischen Bund und Ländern sowie zwischen den Bundesressorts Wirtschaft und Umwelt verärgerte viele Manager zusätzlich. Die Industrie ist auf planbare und berechenbare Grundlagen angewiesen, vor allem wenn es um Sachinvestitionen in Milliardenhöhe geht. Nichts verunsichert Investoren mehr als politischer Streit und Ungewissheit. Die Entlassung von Umweltminister Norbert Röttgen lag auch in diesen Versäumnissen begründet und nicht nur in seinem schlechten Abschneiden bei der Landtagswahl in NRW.
    Der Atomausstieg, der zunächst nur die Energiekonzerne brüskierte, schlägt jetzt auf die Bürger zurück und liefert ein weiteres Wahlkampfthema für die SPD. Zwar hatte die Kanzlerin versprochen, dass durch den schnellen Verzicht auf Kernkraft die Strompreise nicht steigen würden, doch die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Erschließung neuer Energien als Ersatz für die Kernkraft ist nur durch eine massive, kostspielige Förderung zu erreichen. Und den Preis, einen dreistelligen Milliardenbetrag, müssen in den nächsten Jahren die Verbraucher in Form erhöhter Stromrechnungen zahlen, denn die Konzerne holen sich ihre Investitionen vom Kunden zurück. Das gilt genauso für die Investitionen in den Ausbau neuer Anlagen und Netze, die Grundlage der grünen Energiewende sind.
    Die SPD ist jedenfalls fest entschlossen, sich im Wahlkampf dieser Thematik anzunehmen, denn hier lassen sich Punkte sammeln. Schließlich betrifft es parteiübergreifend jeden, dass grundlegende Güter des täglichen Lebens wie etwa eine verlässliche Energieversorgung bezahlbar bleiben. Sigmar Gabriel und seine Wahlkampfstrategen wissen sehr wohl, dass die »Strompreislüge« der schwarz-gelben Bundesregierung für die SPD ein ähnlicher Glücksfall ist wie das umstrittene Betreuungsgeld.
    Ein heikles Thema hingegen stellt die Sozialpolitik dar. Hier steht Steinbrück die schwierigste Gratwanderung überhaupt bevor. Wenn er die SPD als Kanzlerkandidat in die Wahlschlacht führen sollte, werden seine Gegner sicherlich versuchen, einen Keil zwischen ihn und die Partei zu treiben. Auf keinem Politikfeld kann das so leicht gelingen wie bei sozialen Fragen. In seinem Buch Unterm Strich hat Steinbrück die Grenzen des Sozialstaats sehr exakt vermessen. Ergebnis seiner wirklich lesenswerten Analyse: Den 28 Millionen Rentnern und Empfängern von Leistungen mit Fürsorgecharakter steht nur eine etwa gleich hohe Zahl von sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen gegenüber. Allein diese alarmierende Relation zwingt zu einer kritischen Diskussion über die Tragfähigkeit des deutschen Sozialmodells alter Schule, in dem laut Steinbrück jährlich 754 Milliarden Euro umgesetzt werden. Das entspricht einem knappen Drittel unserer gesamten Wirtschaftsleistung. Inzwischen fließen bereits 70 Cent von jedem über Steuern eingenommen Euro des Bundeshaushalts in Sozialleistungen. Steinbrück macht – zumindest in seinem Buch – unmissverständlich klar, dass sich diese Entwicklung so nicht fortsetzen kann. Er fordert deshalb von den Bürgern eine höhere Bereitschaft, künftig selbst mehr Vorsorge für Alter, Pflege und Gesundheit zu treffen. Als er diesen Sachverhalt einmal in den Satz packte, die Deutschen sollten eine Urlaubsreise im Jahr weniger machen und das gesparte Geld lieber in die Vorsorge investieren, erntete er einen Sturm der Entrüstung. Im »Freizeitpark
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