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Stehaufmaennchen

Stehaufmaennchen

Titel: Stehaufmaennchen
Autoren: Markus Maria Profitlich
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Text.
    »Een paar Klompe, twee paar Klompe, drie paar Klompe, vier paar Klompe, vijf paar Klompe, zes paar Klompe ...«
    Werner macht einebedeutsame Pause. Als ob jetzt was Überraschendes kommt. Tut es aber nicht. Werner zählt weiter.
    »... zeven paar Klompe, acht paar Klompe, negen paar Klompe, tien paar Klompe, elf paar Klompe.«
    Wieder eine Pause. Schlafe fast ein. Bis Werner erschrocken aufschreit und sich mit beiden Händen an den Kopf fasst. Er erinnert mich an ein Bild, das bei uns im Flur hängt. Mama meinte mal, das Originalbild sei sehr berühmt und es hieße Der Schrei .
    »Nur elf paar Klompe? Vater! Weißt du, wo das zwölfte Kind ist?«
    Der kleine Leo tritt auf. Er spielt den Vater. Leo schaut Werner mit großen rollenden Augen an und lässt seinen Text mit seiner Piepsstimme los.
    »Bist du denn sicher, dass nicht alle Kinder da sind? Wie viele paar Klompe haben wir denn hier? Een paar Klompe, twee paar Klompe, drie paar Klompe ...«
    Sterbe vor Langeweile. Beim neunten paar Klompe verzählt sich Leo und fängt noch mal von vorne an. Schauspielerei hatte ich mir irgendwie spannender vorgestellt. Nach zehn Minuten hat Leo es geschafft und ruft den Opa zur Hilfe. Jetzt komme ich. Ich schaue auf die Schuhe und sage:
    »Elf paar Klompe. Nur elf paar Klompe? Oma! Weißt du, wo ...«
    Die Lehrerin unterbricht. Ich soll doch die Klompe durchzählen.
    »Werner und Leo haben sie doch schon gezählt.«
    »Vielleicht haben sie sich ja verzählt.«
    »Haben sie nicht. Es sind genau elf Paar.«
    Werner bestätigt. »Das stimmt. Ich hab genau gezählt.«
    Leo nickt ebenfalls. »Ich auch! Sogar sechs Mal!«
    Die Lehrerin wird etwas ungeduldig. »Ja. Aber ihr zählt ja nicht für euch, sondern fürs Publikum. Wir spielen ja schließlich
     Theater.«

    »Das Publikum weiß doch auch längst, dass das nur elf Paar sind.«
    »Das ist doch nur ein dramaturgisches Mittel!«
    Ich weiß nicht genau, was ein dramaturgisches Mittel ist. Glaube aber, dass es ein anderes Wort für Langeweile ist. Leo hat eine wichtige inhaltliche Frage zum Stück.
    »Wieso stehen da eigentlich nur elf paar Klompe? Das Stück heißt doch zwölf paar Klompe.«
    Die Lehrerin ist einen Moment verwirrt. Werner meint, man sollte besser direkt dreizehn Paar nehmen. Dreizehn sei nämlich eine Unglückszahl und deswegen viel dramatischer als zwölf. Außerdem wäre sein Auftritt dann länger, weil er mehr Text hätte. Finde die Idee nicht so gut. Leo schon. Begeistert piepst er in den Raum:
    »Man könnte den Text noch länger machen, wenn man statt Klompe ein längeres Wort nehmen würde. Zum Beispiel Soldatenstiefel.«
    Leo ist stolz auf seine Idee. Muss beipflichten, dass »Dreizehn paar Soldatenstiefel« viel spannender klingt als »Zwölf paar Klompe«. Die anderen Schauspieler sehen das auch so. Die Lehrerin nicht.
    »Kinder tragen keine Soldatenstiefel, sondern Klompe!«
    Wende ein, dass ich nie Klompe tragen würde, obwohl ich ein Kind bin.
    »Mein Gott! Das Stück spielt auch in Holland! Und da tragen die Kinder eben Klompe!«
    Leo ist richtig in Fahrt und erzählt, dass er im Sommer in Holland an der Nordsee war und die Kinder dort am Strand keine Klompe getragen hätten, sondern Badelatschen, was auch ein langes Wort wäre. Helena, die die Oma spielen soll, meint, sie wäre noch nie am Meer gewesen, würde aber furchtbar gerne mal hin, und fängt an zu weinen. Schlage vor, gemeinsam an die Nordsee zu fahren, um uns auf unsere Rollen besser vorbereitenzu können. Jetzt fängt auch Max (Uropa) an zu weinen, denn er hat Angst vor dem Meer und möchte lieber auf den Spielplatz. Ute (Uroma) möchte gar nicht mehr spielen und lieber ein Eis. Die Lehrerin steht etwas abseits und fasst sich an den Kopf. Muss wieder an das Bild in unserem Flur denken. Schauspielerei ist komplizierter als ich dachte.
14. Dezember 1969
    Probe. Leo hat am Anfang eine Frage an unsere Lehrerin.
    »Wieso liegt das zwölfte Kind eigentlich im Bett? Ist es krank?«
    »Nein. Es hat sich einfach so hingelegt. Freiwillig.«
    Leo ist zufrieden mit der Antwort. Ich nicht.
    »Ich gehe nie freiwillig ins Bett.«
    Die anderen nicken. Keiner geht freiwillig ins Bett. Die Lehrerin kriegt eine runzlige Stirn.
    »Dann ist das Kind eben nicht freiwillig ins Bett gegangen, sondern wurde von den Eltern ins Bett geschickt. Das ist doch völlig egal!«
    »Aber dann wüssten die Eltern doch, wo das Kind ist, und könnten sich die ganze Zählerei sparen.«
    Ganz schön pfiffig, der kleine
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