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SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)

SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)

Titel: SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
Autoren: Guido Krain
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zuschauten, ging Noctis mit langsamen, atemberaubend eleganten Schritten auf das Podest zu. Die beiden Statuen huschten geschmeidig an ihr vorbei und hoben die schwere Plattform wieder an das obere Ende des Treppchens. Das „Loch“ hielt seinen Abstand und wurde so mitsamt der Plattform angehoben. Als Noctis die Stufen erklomm, beneideten wir wohl alle vier die Treppe um die Auszeichnung, von ihr berührt zu werden. Endlich verstand ich, was Rachel wohl schon bei ihrer ersten Begegnung mit dem unirdischen Wesen erkannt hatte.
    Einen Schritt vor dem Loch blieb Noctis plötzlich stehen. Sie schien einige Herzschläge lang zu zögern, doch dann wandte sie sich noch einmal zu uns um. Ihre Augen, die schon zuvor tiefe Abgründe gewesen waren, schienen jetzt ganze Universen verschlingen zu können. Keiner von uns vermochte ihrem Blick standzuhalten oder auch nur daran zu denken, sich für die unnatürliche Schönheit ihres Körpers zu interessieren. Sie schien unsere Seelen aufzusaugen und bis in den letzten Winkel unseres Seins vorzudringen. Mit ehrfürchtig gesenktem Blick beobachteten wir, wie sie die Stufen wieder herabkam.
    Vor Charles blieb sie schließlich stehen. Unsicher wollte er niederknien, doch sie legte ihm bestimmt die Hand auf die Brust. Als sie sich anmutig auf die Zehenspitzen stellte, um ihn zu küssen, hielten wir alle den Atem an. Sie hatte nichts von ihrer unnahbaren, fast gleichgültigen Kälte verloren, doch ihr Kuss war anhaltend und zärtlich. Und er endete damit, dass Charles bewusstlos zu Boden sank. Keiner von uns fragte sich in diesem Moment, ob er noch lebte. Es schien in diesem Augenblick nicht wichtig zu sein.
    Noctis machte einen Schritt zur Seite und blieb vor Rachel stehen. Die hielt dieser Aufmerksamkeit nur einen Wimpernschlag stand, bevor sie vor der Göttin auf die Knie sank. Für mehrere Sekunden nahm Noctis die Huldigung reglos zur Kenntnis. Dann beugte sie sich herab und küsste auch Rachel auf diese merkwürdig eiskalte und doch zärtliche Weise. Wie Charles verlor Rachel kurz darauf mit einem glücklichen Lächeln das Bewusstsein. Und dann kam der Augenblick, den sowohl Julie als auch ich gleichermaßen gefürchtet und herbeigesehnt hatten. Noctis machte einen weiteren Schritt beiseite und blieb vor uns stehen. 
    Ich weiß nicht, was wir erwartet hatten. Doch nichts hätte uns auf ihren Blick vorbereiten können. Gemeinsam stürzten wir in den Abgrund der Ewigkeit. Ich meine das nicht im übertragenen Sinne. Wir hatten tatsächlich den Eindruckt in ein Nichts zu stürzen, das zugleich alles war. Und während wir fielen, stürzte dieses Nichts auch in uns hinein . Es waren wohl nur einige Sekunden, doch ich glaubte, ein ganzes Leben mit Julie in einer fremden Welt zuzubringen.
    Als der Blick endete, hatte sich Julie vorgebeugt. Der Moment, als sich die Lippen der uralten und der blutjungen Göttin berührten, wird für immer in meine Seele eingebrannt bleiben. Es war, als würden Leben und Tod zu einem Kuss vereint. Wäre die ganze Szene nicht ohnehin wie ein sakraler Traum erschienen, hätte ich spätestens in diesem Augenblick zu fantasieren geglaubt. Als Julie schließlich neben Charles und Rachel zu Boden sank, wunderte ich mich nicht einmal darüber, dass sich meine Perspektive nicht veränderte. Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass ich in diesem Moment einfach in der Luft schwebte. Und dann bekam ich mein Geschenk – oder besser: Meine Geschenke .
    Urplötzlich schien Noctis zusammenzuschrumpfen. In Wirklichkeit war aber ich es, der wuchs. In diesem Moment war es mir nicht bewusst, doch ich wurde zu einem muskulösen, über zwei Meter großen Mischwesen aus Mensch und Ratte. Nicht zuletzt der weiße Pelz und die Tatsache, dass mein Gesicht und meine unverwechselbaren Augen annähernd gleich blieben, machten den Körper zu einer durchaus ästhetischem Erscheinung. Dennoch wirkte ich wohl außerordentlich furchterregend. Charles sollte diese Kreatur nach einer nächtlichen Begegnung in der Küche einmal als „Werwolf“ bezeichnen, den sein bester Freund jede Nacht für einige Stunden auf sein Haus losließ. Dabei war sein Haus das Letzte, an dem der „Werwolf“ Interesse hatte. Denn für Julies Augen war dieser Körper der Inbegriff von Männlichkeit und Erotik …
    Hätte ich damals die Bedeutung und Tragweite dieses Geschenks begriffen, hätte mich die Dankbarkeit vielleicht sogar die lähmende Ehrfurcht abschütteln lassen. So aber beugte ich mich wie
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