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STASIRATTE

STASIRATTE

Titel: STASIRATTE
Autoren: Jana Döhring
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das Abholsystem und dass die Müllautos direkt in das Gebäude hineinfahren und die Ladung aufnehmen könnten. Trotz aller Sortierung ließ es sich der gemischte Müll nicht nehmen, seinen speziellen Geruch zu verströmen. Ich war dankbar, als Gerry verschlug, weiterzugehen und mir jetzt die Umkleideräume zu zeigen.
    Unsere unterirdische Wanderung führte uns nun in große Kabinen mit langen Reihen von Metallspinden. Diesen Umkleideräumen waren Duschräume und Toiletten angeschlossen. Hier war die dominierende Farbe ein leuchtendes Orangerot. Über der langen Reihe von Waschbecken waren große Spiegel angebracht. Vor den Spinden standen Holzbänke ohne Lehnen, die zum Ablegen der Kleidung gedacht waren. Zurzeit war alles menschenleer, es schien gerade niemand zum Dienst zu kommen, was ich allerdings nur für die Räume der Damen beurteilen konnte. Gerry hatte vor der Tür gewartet und sah mein Staunen. „Es ist alles so riesig“, sagte ich. „Wir sind an die tausend Leute hier“, war seine Antwort. „Da kommt auf jeden Gast ein Angestellter, wenn das Haus voll ist.“ Ich war beeindruckt und Gerry zufrieden.
    Nun steuerten wir auf den Höhepunkt und eigentlichen Zweck des Hauses zu: die Hotelzimmer. Gerry versprachLuxus pur und zwinkerte schelmisch. „Dürfen wir da einfach hoch?“, fragte ich ihn, als wir vor den Aufzügen standen. Ich war nicht sicher, ob ich mich nicht gleich am ersten Tag zu dreist benahm. „Ist schon in Ordnung. Wenn einer was sagt, erkläre ich ihm, dass du neu bist und ich dir alles zeige, mich kennen die ja schon“, beruhigte er mich. Er fühlte sich wie zu Hause und seine Sicherheit gefiel mir. Als wir im fünften Stock haltmachten, sprach er auf dem ruhigen, in gedämpftem Licht liegenden Flur ein Zimmermädchen an, das dort seinen Wagen mit frischer Wäsche und allerlei Utensilien für die Zimmerreinigung vor sich herschob. Sie sah zu uns herüber und grinste. „Na, dann kommt mal mit“, sagte sie. Wir folgten ihr. Sie steckte den Schlüssel, der aussah wie ein Knochen aus Messing, in das Schloss und drehte ihn. Kurz darauf standen wir in zwanzig Quadratmeter Luxus. Mir verschlug es die Sprache. Das Zimmer war Ton in Ton in den Farben Rosé und Hellgrün eingerichtet. Die Farbe des Bodenbelags korrespondierte mit den Vorhängen und der Tagesdecke auf dem run-den Bett. „Das ist das Hochzeitszimmer“, sagte das Zimmermädchen feierlich. Ich blieb auf einem Fleck stehen, um nichts in Unordnung zu bringen, aber sowohl Gerry als auch die Angestellte ermunterten mich, mir unbedingt das Badezimmer anzusehen. Wieder machte ich große Augen. Auch dort war alles harmonisch aufeinander abgestimmt. Chromblitzende Armaturen und strahlend weiße Keramik vor farbigen Wand- und Bodenfliesen. Die Handtücher passten natürlich farblich zur Einrichtung des Zimmers.
    „Genug gestaunt“, Gerry sah auf die Uhr. „Es wird jetzt Zeit, dich in unsere Abteilung zu bringen. Wir werden nämlich Kollegen sein“, fügte er noch hinzu und zog zur Bestätigung die Augenbrauen in die Höhe. Ich machte innerlich einen Juchzer. Was für ein guter Anfang, dachte ich. Wenn die anderen auch so drauf sind, wird der Anfang gar nicht schwer sein.Wir fuhren mit dem Lastenaufzug in den Keller, stiegen dort aus und machten uns auf den Weg zu einem anderen Aufzug, der hinaufführte zum Bankett- und Kongresszentrum.
    * * *
    Die Vorteile des Februars liegen in seiner Kürze. Er hat nicht zu viele Tage für ein Monatsgehalt und kündigt, wenn auch in manchen Jahren mit übertriebener Härte, das Ende des Winters an. Jedes Jahr freue ich mich, wenn der März mit seinem ersten Grün nicht mehr fern ist und es heißt, dass der Bauer die Rösslein einspannt.
    Auch in diesem Monat zolle ich dem Briefkasten den ihm nun zustehenden Respekt. Täglich trete ich ihm mit leichtem Herzklopfen entgegen und öffne seine Tür. In der letzten Februarwoche werde ich fündig. „Meinem Stasispitzel einen Februargruß“ . Jawoll, denke ich stinksauer. Es gehört kein allzu großer Scharfsinn dazu, nach der Januarkarte eine Februarkarte zu erwarten, aber ich hätte lieber nicht recht behalten.
    Ich denke über den mir von Gerry verliehenen Titel „Stasispitzel“ nach. Ist der Inoffizielle Mitarbeiter, wie er offiziell heißt, schlimmer als der Hauptamtliche? Der Hauptamtliche ist der Trottel, der keinen anständigen Beruf gefunden hat, während der im Verborgenen Operierende der Betrüger ist, weil er hinter dem Rücken der Opfer
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