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Stahlhexen

Stahlhexen

Titel: Stahlhexen
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ab, flog über das Wagendach weg und entschwand im Unwetterdunkel als weißer Fleck. Am Ausgang des Hohlweges fielen die Weidenbäume dem Orkan zum Opfer. Äste brachen ab, Stämme kippten um, Wurzelwerk stach in die Höhe. Aspen schloss die Augen und hoffte, dass er nicht von irgendetwas getroffen wurde, bevor er seine Aufgabe zu Ende bringen konnte.
    Der Orkan ließ ein wenig nach, sammelte wieder Kraft, und verminderte sich erneut zu einem erträglicheren Stürmen, in dem Aspen sich immerhin aufsetzen und dann ganz aufrichten konnte, auch wenn immer noch Zweige und Äste über die Böschung wehten. Das Stehen fühlte sich sonderbar an, irgendwie so, als wäre die Schwerkraft geringer als üblich. Er sah, dass auch Mia Tyrone sich auf die Knie stemmte, dann aufstand und ihn ansah.
    Er atmete die Luft tief ein. Sie war kühl und statisch aufgeladen. Die Landschaft war extra um seinetwillen durch das Unwetter gereinigt worden. Die Wolkendecke riss auf und ließ rotes Sonnenlicht hindurch, das mit langen Strahlen über den Boden wischte, von dem Dunst aufstieg.
    Es war an der Zeit, genau jetzt. Seine Zeit. Er schob sich an dieser Tyrone vorbei aus dem Windschatten des Hohlwegs, ließ den zerbeulten, alten Jeep mit den zerborstenen Scheiben und der fehlenden Tür hinter sich zurück und betrat Hexland.
    »Entweder du verarschst mich oder du verarschst dich selbst«, hörte er Mia Tyrone hinter sich herrufen.
    Er drehte sich nach ihr um. Sie hatte wieder diese billige Pistole in der Hand und den Ärmel ihres Capes hochgeschoben, um ungehindert zielen zu können. Er lachte. »Dein Freund Gregory, der Alte da oben mit seinen Bildern. Der hat dir wohl nicht alles erzählt, was?«, sagte er. »Cherelle und Kate waren Schwestern, Zwillingsschwestern. Das Letzte, was Evie damals getan hat, das Allerletzte, das war, dass sie die beiden Gregory übergeben hat. Damit der sie rettet.«
    »Aber Tom Fletcher hat Cherelle letzte Woche getroffen, auf dem Stützpunkt Alconhurst. Persönlich. Willst du behaupten, er hätte die Zwillingsschwester seiner Mutter nicht erkannt?«
    »Cherelle hat sich verändert, Schätzchen. Seit fünfundzwanzig Jahren raucht sie sechzig Zigaretten am Tag und jetzt ist sie ein Wrack. Manchmal erkenne ich sie selbst nicht wieder.« Plötzlich spürte er die nächste Luftdruckänderung in den Ohren. »He, spürst du das nicht?«
    »Was?«
    Er sprang hinauf zur Stelle des einstigen Hexland-Hauses, wo sich unter Erde und Gras das Fundament abzeichnete. Seine Zeit war gekommen. Er war an den Ort zurückgekehrt, wo alles begonnen hatte und auch alles enden würde. Er würde sich selbst heilen und die Krankheit, mit der Kate Fletcher ihn durch ihre Geschichte infiziert hatte, an der Wurzel packen und endgültig ausmerzen.
    »Es geht los. Sie ist da. Kate Fletcher ist da«, schrie er.
    Als der Sturm nachließ, fiel Fletcher das Rennen leichter. Hinter dem Deeping erreichte er den Hohlweg mit seinem Saum aus Weiden, deren vom Sturm entblätterte und zerfetzte Zweige sich nach ihm auszustrecken schienen, als er unter ihnen hindurchging. Einige Bäume waren auch ent-wurzelt und auf den Weg hinuntergestürzt. Fletcher wusste aus Gregory Tilneys Beschreibung, dass am Ende des Hohlwegs Hexland lag. Er sah die mosaikartigen Reifenspuren, die das Profil des Cossack in den nassen Boden gepflügt hatte, zertrat sie im Gehen und kletterte über zersplitterte Äste hinweg.
    Man kriegt Visionen davon oder Zwillinge.
    Er kletterte über den letzten umgestürzten Baum und kam auf ein von Hindernissen freies Wegstück. Ohne langsamer zu werden, zog er die HS-Pistole aus seiner Parkatasche, öffnete dann den Parka und ließ ihn im Rennen von den Schultern gleiten und zu Boden fallen.
    Er dachte an Cherelle Swanson in ihrem verqualmten kleinen Haus auf dem Luftwaffenstützpunkt Alconhurst. An das von Sorgen und Nikotin zerstörte Gesicht.
    Ich hatte doch irgendwie gleich das Gefühl, dass ich sie kenne. Dass ich sie wiedererkenne.
    Wenn ich dieses Gesicht glätten würde, wenn ich es jünger machen und die Runzeln und Falten entfernen würde. Wäre es dann das Gesicht meiner Mutter?
    Denkbar.
    Ist Cherelle die Zwillingsschwester meiner Mutter?
    Fletcher blieb stehen, als der Hohlweg sich vor ihm öffnete. Dort stand der Cossack oder zumindest das, was von ihm übrig war. Im rötlichen Sonnenlicht, das zwischen den Wolken hindurchsickerte, schimmerte der Lack bronzefar- ben und das Licht brach sich funkelnd in den Resten der
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