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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen
Autoren: H.P. Lovecraft
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ungezählter Tage trieb ich 11
    ziellos unter der sengenden Sonne dahin; darauf wartend, daß entweder ein Schiff vorbeikäme oder daß ich an die Küste bewohnten Landes gespült würde.
    Aber weder Schiff noch Land tauchten auf, und ich begann in meiner Einsamkeit und der wogenden Unendlichkeit der ungebrochenen Bläue zu verzweifeln.
    Der Wechsel trat ein, während ich schlief. Einzelheiten werde ich nie erfahren, denn mein Schlaf, obwohl gestört und von Träumen heimgesucht, wurde nicht unterbrochen. Als ich schließlich erwachte, fand ich mich halb in die morastige Fläche höllisch schwarzen Sumpf es hinabgezogen, der sich in monotonen wellenförmigen Erhebungen erstreckte, so weit das Auge reichte und in dem mein Boot in einiger Entfernung auf Grund lag.
    Obwohl man sich vorstellen kann, daß mein erstes Gefühl über diesen erstaunlichen und unerwarteten Szenenwechsel Verwunderung war, war ich in Wirklichkeit mehr entsetzt als erstaunt, denn in der Luft und dem verfaulten Grund lag etwas Düsteres, das mich bis ins Mark erschauern ließ. Die Gegend stank nach den Kadavern verwesender Fische und nach anderen, nicht näher zu beschreibenden Dingen, die ich aus dem scheußlichen Dreck der unendlichen Fläche herausragen sah. Vielleicht kann ich gar nicht darauf hoffen, mit Worten die unsagbare Scheußlichkeit zu beschreiben, die in dieser völligen Stille und unfruchtbaren Unendlichkeit liegen kann. Nichts war in Hör− oder Sehweite als die riesige schwarze Schlammfläche, mehr noch, die Vollkommenheit der Stille und die Einförmigkeit der Landschaft drückte mich mit übelkeiterregender Furcht nieder.
    Die Sonne brannte von einem Himmel hernieder, der mir in seiner wolkenlosen Unerbittlichkeit beinah schwarz erschien, als reflektierte er den tintenschwarzen Sumpf unter meinen Füßen. Als ich in mein gestrandetes Boot kroch, wurde mir klar, daß nur eine Theorie meine Lage erklären könne. Infolge einer nie dagewesenen vulkanischen Bodenanhebung wurde ein Stück des Meeresgrundes an die Oberfläche emporgetragen und Regionen bloßgelegt, die für ungezählte Millionen von Jahren in unergründlichen Tiefen verborgen gelegen waren. Die Ausdehnung des neuen Landes, das unter mir emporgetaucht war, war derart groß, daß ich nicht das geringste Brandungsgeräusch hören konnte, auch wenn idh die Ohren noch so sehr spitzte. Auch waren da keine Seevögel, sich die toten Dinge als Beute zu holen.
    Mehrere Stunden saß ich nachdenkend und brütend im Boot, das auf der Seite lag und etwas Schatten spendete, während die Sonne über den Himmel wanderte. Im Laufe des Tages verlor der Boden etwas von seiner Klebrigkeit, und es schien wahrscheinlich, daß er in kurzer Zeit zur Fortbewegung trocken genug sein würde. In dieser Nacht schlief ich nur wenig, am nächsten Tag machte ich mir ein Päckchen zurecht, das Eßwaren und Wasser enthielt, als Vorbereitung für eine Reise über Land, um das verschwundene Meer und Rettungsmöglichkeit zu suchen.
    Am dritten Morgen fand ich den Grund trocken genug, um bequem darauf gehen zu können. Der Fischgestank war unangenehm, aber ich war mit schwerwiegenderen Dingen beschäftigt, um mir aus solch einem kleinen übel viel zu machen, und ging kühn auf ein unbekanntes Ziel los. Ich hielt mich den 12
    ganzen Tag nach Westen, geleitet von einem weit entfernten Hügel, der höher als die anderen Erhebungen aus der welligen Einöde aufragte. Ich kampierte des nachts und ging am folgenden Tag immer noch auf den Hügel zu, obwohl das Ziel kaum näher schien als zu dem Zeitpunkt, da ich es zuerst erspäht hatte. Am vierten Abend erreichte ich den Fuß des Hügels, der sich als viel höher erwies, als er von weitem ausgesehen hatte, ein dazwischenliegendes Tal ließ ihn sich in scharfem Umriß von der allgemeinen Umgebung abheben. Zu müde, um aufzusteigen, schlief ich im Schatten des Hügels.
    Ich weiß nicht, warum meine Träume in jener Nacht so unruhig waren, aber schon war der abnehmende Mond in Halbphase weit über der östlichen Ebene emporgestiegen, ich lag in kaltem Schweiß wach, entschlossen, nicht mehr einzuschlafen. Solche Visionen, wie ich sie durchlebt hatte, waren zuviel, um sie noch einmal zu erdulden. Beim Schein des Mondes sah ich, wie unvernünftig ich gewesen war, bei Tage zu wandern. Ohne das blendende Licht der ausdörrenden Sonne hätte meine Reise mich viel weniger Kraft gekostet, ich fühlte mich in der Tat jetzt durchaus imstande, den Aufstieg zu vollenden, von
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