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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen
Autoren: H.P. Lovecraft
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eines der Geschöpfe wurde dargestellt, wie es dabei ist, einen Wal zu töten, der nur wenig größer ist, als es selbst.
    Ich bemerkte, wie gesagt, ihr groteskes Aussehen und ihre merkwürdige Größe, entschied aber augenblicklich, daß sie lediglich die Phantasiegötter eines primitiven Fischervolkes oder eines seefahrenden Stammes seien, irgendeines Stammes, dessen letzter Nachkomme lange Zeit, bevor der erste Ahne des Piltdown−Menschen oder Neandertalers geboren wurde, umgekommen war.
    Erfüllt von heiliger Scheu über diesen Blick in eine Vergangenheit, die außerhalb des Fassungsvermögens auch des kühnsten Anthropologen liegt, stand ich nachdenklich da, während der Mond groteske Reflexe in die stillen Wasser vor mir warf.
    Dann erblickte ich es plötzlich. Mit nur leichter Wellenbewegung, die sein Aufsteigen zur Oberfläche anzeigte, glitt das Ding über dem dunklen Wasser in mein Blickfeld. Riesig, einem Polyphem gleich und abstoßend, schoß wie ein erstaunliches Ungeheuer aus einem Alptraum auf den Monolithen zu, den es mit seinen riesigen, schuppigen Armen umschlang, während es sein häßliches Haupt neigte und deutliche, gemessene Töne ausstieß. Ich glaube, da verlor ich 14
    den Verstand.
    Von meinem überstürzten Ersteigen des Abhangs und der Klippen, von meiner wahnwitzigen Wanderung zurück zum gestrandeten Boot, ist mir nur wenig erinnerlich. Ich glaube, ich sang häufig und lachte komisch, wenn es mir nicht gelang zu singen. Ich habe undeutliche Erinnerungen an einen heftigen Sturm, einige Zeit, nachdem ich das Boot erreichte, auf alle Fälle weiß ich, daß ich Donnerschläge und andere Geräusche hörte, welche die Natur in ihrer wildesten Stimmung hervorbringt.
    Als ich aus dem Schatten heraustrat, war ich in einem Hospital in San Francisco; wohin mich der Kapitän des amerikanischen Schiffes gebracht hatte, das mich mitsamt meinem Boot mitten im Meer aufgefischt hatte. Ich hatte im Delirium viel gesprochen, aber herausgefunden, daß man meinen Worten kaum Beachtung geschenkt hatte. Meine Retter wußten nichts von Land, das mitten im Pazifik emporgetaucht war, ich hielt es auch nicht für nötig, auf etwas zu bestehen, von dem ich wußte, daß sie es nicht glauben würden. Ich besuchte dann einen berühmten Ethnologen und amüsierte ihn mit seltsamen Fragen, die Bezug auf eine alte Legende der Philister nahmen, von Dagon, dem Fisch−Gott, aber da ich bald bemerkte, daß er hoffnungslos konventionell eingestellt war, gab ich meine Nachforschungen auf.
    Ich sehe das Ding besonders nachts, wenn der Mond in abnehmender Halbphase ist. Ich habe es mit Morphium versucht, aber die Droge gewährt mir nur vorübergehend Erleichterung, und ich bin als hoffnungsloser Sklave in ihren Klauen gefangen. Deshalb werde ich dem allen ein Ende machen, nachdem ich eine ausführliche Schilderung zur Information oder zum herablassenden Amüsement meiner Mitmenschen niedergeschrieben habe. Ich frage mich häufig, ob es nicht ein reines Hirngespinst gewesen sein könnte −ein bloßer Fiebertraum, als ich nach meiner Flucht von dem deutschen Kriegsschiff mit Sonnenstich tobend im offenen Boot lag. Dies frage ich mich selbst, aber immer pflegt dann vor mir eine entsetzlich lebhafte Vision als Antwort aufzutauchen. Ich kann nicht an die Tiefsee denken, ohne vor den namenlosen Geschöpfen zu schaudern, die vielleicht gerade in diesem Augenblick auf ihrem schlammigen Grunde herumkriechen und zappeln, die ihre alten Steinidole verehren und ihr scheußliches Abbild in unterseeische Obelisken aus wasserdurchtränktem Granit einmeißeln. Ich träume von dem Tage, wo sie sich über die Wogen erheben werden, um in ihren nassen Klauen die Reste einer schwächlichen, von Kriegen erschöpften Menschheit hinunterzuziehen − ein Tag, wenn das Land versinken und der finstere Meeresboden inmitten weltweiten Pandämoniums emporsteigen wird. Das Ende ist nah. Ich höre ein Geräusch an der Türe, als ob ein ungeheuerer, schlüpfriger Körper sich dagegendrückt. Es soll mich nicht finden. Gott, die Hand! Das Fenster! Das Fenster!
    Der Hund

15
    In meinen gequälten Ohren klingt unaufhörlich ein geisterhaftes Schwirren und Flattern und das schwache, entfernte Bellen eines riesigen Hundes. Es ist kein Traum − es ist, so fürchte ich, nicht einmal Wahnsinn − denn zuviel ist schon geschehen, um mir diese barmherzigen Zweifel zu gestatten.
    St. John ist ein zerfleischter Leichnam. Nur ich weiß, warum, und mein Wissen geht so
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