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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen
Autoren: H.P. Lovecraft
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und zuschwang.
    Das Fett war verschwunden, da der modrige Boden durchlässig war. Und vor dem Herd befand sich keine Spur der zusammengekauerten Gestalt aus Salpeter mehr. Ich blickte auf das Feldbett, die Stühle, die Apparate, meinen liegengelassenen Hut und den vergilbten Strohhut meines Onkels.
    Benommenheit beherrschte mich, und ich wußte kaum noch, was Traum und was Wirklichkeit war. Dann kehrten die Gedanken langsam zurück, und ich wußte, daß ich Zeuge von Dingen geworden war, die schrecklicher waren als das, was ich geträumt hatte. Während ich mich niederließ, versuchte ich, soweit mein Verstand es zuließ, Mutmaßungen darüber anzustellen, was nun eigentlich passiert war und wie ich dem Grauen ein Ende bereiten könne, wenn es tatsächlich Wirklichkeit gewesen war. Es schien weder aus fester Mas noch aus Äther oder sonstwas zu bestehen, was de Geist eines Sterblichen zu erfassen vermag. Was sonst als eine fremdartige Ausdünstung, irgendein vampyrähnlicher Dunst, von dem die Landbevölkerung von Exeter erzählt, daß er über bestimmter Friedhöfen lauere? Das war das Stichwort, ich fühlte es und schaute mir wiederum den Boden vor den Herd an, wo Schimmel und Salpeter diese merkwürdige Form angenommen hatten. In zehn Minuten ha| te ich 149
    meinen Entschluß gefaßt, nahm meinen Hut und ging nach Hause, wo ich badete, aß und per Telephon einen Auftrag über eine Breithacke, einen Spaten, eine Militärgasmaske und sechs Ballonflaschen voll Schwefelsäure aufgab, die alle am nächsten Morgen an der Kellertür des gemiedenen Hauses in der Benefit Street abgeliefert werden sollten. Ich versuchte danach zu schlafen, und als mir dies nicht gelingen wollte, verbrachte ich die Stunden mit Lesen und der Abfassung alberner Verse, um meiner schlecht Stimmung entgegenzuarbeiten. , Um 11 Uhr vormittags am anderen Tag begann ich zu graben. Das Wetter war sonnig, worüber ich froh war. Ich war noch immer allein, denn sosehr ich das unbekannte Grauen fürchtete, nach dem ich suchte, hatte ich noch mehr Furcht davor, jemanden davon zu erzählen. Ich erzählte Harris später davon, weil es unumgänglich nötig war und weil er von alten Leuten merkwürdige Geschichten gehört hat die ihn wenig geneigt machten, etwas daran zu glauben.
    Als ich die stinkende, schwarze Erde vor dem Herd herausschaufelte, bewirkte mein Spaten, das aus den weißen Schwämmen, die er zerschnitt, eine zähe gelbe Jauchenflüssigkeit quoll. Ich zitterte der zweifelnden Gedanken, was ich wohl ausgraben würde. Manche Geheimnisse des Erdinnern tun den Menschen nicht gut, und dies schien mir eines davon zu sein. Meine Hand zitterte spürbar, aber ich grub immer noch weiter und stieg nach einiger Zeit in das große Loch hinunter, das ich ausgehöhlt hatte. Mit dem Tieferwerden des Loches, das ungefähr sechs Quadratfuß maß, verstärkte sich der üble Geruch, und mir schwand jeder Zweifel, daß mir der unmittelbare Kontakt mit dem Höllenwesen, dessen Ausdünstungen das über anderthalb Jahrhunderte alte Haus mit einem Fluch belegt hatten, bevorstand. Ich fragte mich, wie es wohl aussehen möge − was seine Gestalt und Substanz sein würde und wie groß es durch die langen Zeiträume geworden war, in denen es anderen das Leben ausgesogen hatte. Endlich stieg ich aus dem Loch heraus und verteilte die angehäufte Erde, dann stellte ich die sechs großen Ballonflaschen mit Säure an zwei Seiten auf, so daß ich sie, wenn nötig, alle schnell hintereinander in die Öffnung gießen könne. Dann deponierte ich Erde an den beiden anderen Seiten, ich mußte etwas langsamer arbeiten und die Gasmaske aufsetzen, da der Geruch stärker wurde. Ich verlor fast die Nerven, als ich mich dem namenlosen Ding am Grund der Grube so nahe wußte.
    Plötzlich traf mein Spaten auf etwas, das weicher als Erde war. Mir schauderte, und ich machte eine Bewegung, wie um aus dem Loch herauszuklettern, das mir jetzt bis zum Halse reichte. Dann kehrte mein Mut zurück, und ich scharrte im Licht der elektrischen Lampe, die ich mitgebracht hatte, noch mehr Dreck beiseite. Die Oberfläche, die ich freilegte, war fischartig und glasig − eine Art halbverwesten geronnenen Gelees von schwacher Durchsichtigkeit. Ich scharrte weiter und stellte fest, daß es eine Form hatte. Da war ein tiefer Einschnitt, wo ein Teil der Substanz sich über den ändern legte. Das freigelegte Stück war riesig und ungefähr zylindrisch, wie ein mammutähnliches, bläulichweißes abgebogenes
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