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Stadt ohne Namen

Stadt ohne Namen

Titel: Stadt ohne Namen
Autoren: H.P. Lovecraft
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dieser regnerischen Nacht, als wir wachten, nicht nervös gewesen, wäre eine grobe und lächerliche Übertreibung. Wir waren, wie ich schon sagte, keineswegs kindisch abergläubisch, aber wissenschaftliche Studien und Überlegungen hatten uns gelehrt, daß das uns bekannte dreidimensionale Universum nur den geringsten Teil des ganzen Kosmos an Substanz und Energie umfaßt. In diesem Fall deuteten überwältigende und erdrückende Beweise aus vielen authentischen Quellen auf die hartnäckige Existenz gewisser Kräfte von großen Einfluß und mit, vom menschlichen Standpunkt aus, ungewöhnlicher Bösartigkeit hin. Zu behaupten, daß wir tatsächlich an Vampyre und Werwölfe glaubten, wäre ein oberflächliches Pauschalurteil. Man müßte eher sagen, wir waren nicht bereit, die Möglichkeit gewisser unbekannter und unergründeter Spielarten der Lebenskraft und der verdünnten Materie auszuschließen, die im dreidimensionalen Raum wegen ihrer intimeren Verbindung mit anderen Raumeinheiten selten vorkommen, die sich dennoch nahe genug an der Grenze unseres Raumes befinden, um uns mit gelegentlichen Erscheinungen heimzusuchen, die wir, mangels eines geeigneten Standpunktes, nie zu erfassen hoffen können.
    Kurzum, es schien meinem Onkel und mir, daß eine unwiderlegliche Anzahl von Tatsachen auf einen ständig im gemiedenen Haus verweilenden Einfluß hindeuteten; den man auf den einen oder anderen der unseligen französischen Siedler aus der Zeit vor zweihundert Jahren zurückverfolgen könne und der mittels seltener und unbekannter Bewegungsgesetze der Atome und Elektronen noch handlungsfähig war. Daß die Familie Roulet eine abnorme Hinneigung zu den äußeren Wesenskreisen besessen hatte − für dunkle Sphären, für die der normale Mensch nur Abscheu und Grauen empfindet −, schienen die geschichtlichen Aufzeichnungen zu beweisen. Hatten dann nicht vielleicht die Aufstände dieser vergangenen siebzehnhundertunddreißiger Jahre im krankhaften Gehirn des einen oder anderen von ihnen − besonders dem des finsteren Paul Roulet − einen Bewegungsmechanismus ausgelöst, der offensichtlich den ermordeten Körper überlebte und der fortfuhr, in einem mehrdimensionalen Raum im Verlauf der ursprünglichen Kraftlinien zu wirken, die durch den wilden Haß der ihre Rechte verletzenden Gemeinde bestimmt war?
    Im Lichte der neuen Wissenschaft, die die Relativitätstheorie und inneratomare Einflüsse einschließt, war so etwas bestimmt keine physikalische oder biochemische Unmöglichkeit. Man könnte sich ohne weiteres einen fremden Substanz− oder Energiekern, formlos oder nicht, vorstellen, der durch unmerklichen und geringen Entzug der Lebenskraft oder Körpergewebes und Flüssigkeiten aus anderen, greifbaren Lebewesen, in die er eindringt und mit 143
    deren Körpersubstanz er manchmal völlig verschmilzt, lebt. Er könnte aktiv feindselig sein, oder er wird nur von Beweggründen blinder Selbsterhaltung diktiert. Auf jeden Fall müßte solch ein Ungeheuer in unserem Aufbau der Dinge notgedrungen eine Anomalie und ein Eindringling sein, dessen Vernichtung die wichtigste Aufgabe für jeden Menschen bildet, der nicht ein Feind der Welt, ihres Lebens und ihrer Vernunft ist.
    Was uns am meisten verwirrte, war unsere völlige Unwissenheit, war der Anblick, den das Wesen bieten würde. Kein geistig Gesunder hatte es je gesehen, und wenige hatten es mit Bestimmtheit gefühlt. Es könnte reine Energie sein − eine ätherische Form außerhalb des Substanzbereiches −, oder es könnte zum Teil aus Materie bestehen; irgendeiner unbekannten und unbestimmten formveränderlichen Masse, imstande, sich nach Laune in nebelhafte Annäherungen an den festen, flüssigen, gasförmigen oder schwachen ungeteilten Zustand zu verwandeln. Der menschenähnliche Schimmelfleck auf dem Boden, die Form des gelblichen Dampfes und die Windungen der Baumwurzeln in den alten Geschichten, alle erinnerten mindestens entfernt an eine Menschengestalt, aber wie charakteristisch oder von welcher Dauer diese Ähnlichkeit sein könne, vermochte niemand mit Sicherheit zu sagen.
    Wir hatten uns zur Bekämpfung zwei Waffen ausgedacht, eine große, besonders angepaßte Crookessche Röhre, die von starken Sammlerbatterien betrieben wurde und die mit besonderen Schutzschirmen und Reflektoren ausgestattet war, falls es sich als unkörperlich erweisen sollte und man ihm nur mit kräftigen, zerstörenden Ätherstrahlungen beikommen könnte, und ein Paar Armeeflammenwerfer,
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